Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD, engl. Chronic Obstructive Pulmonary Disease) bedeutet eine dauerhafte Verengung der Atemwege mit häufig fortschreitendem Verlauf. Typisch sind Atemnot, Husten und Auswurf, die die Selbstständigkeit im Alltag deutlich einschränken können. Bereits einfache Tätigkeiten wie Waschen, Ankleiden oder Treppensteigen werden zur Belastungsprobe. Viele Betroffene erleben Schwankungen mit akuten Verschlechterungen (Exazerbationen), die Krankenhausaufenthalte notwendig machen und die Pflegebedürftigkeit erhöhen.
Für Sie als Betroffene, Angehörige oder Pflegefachkraft ist es entscheidend, die Erkrankung zu verstehen und die Versorgung gut zu strukturieren. Dazu gehören eine sichere Inhalationstechnik, Atemphysiotherapie, passende Hilfsmittel sowie ein Notfall- und Aktionsplan. Ebenso wichtig: Leistungen der Pflegeversicherung (Pflegegrad) und der Krankenversicherung sinnvoll zu kombinieren, Wohnraum anzupassen und Entlastungsangebote zu nutzen. Dieser Beitrag führt Sie Schritt für Schritt durch die relevanten Themen – praxisnah, verständlich und mit Blick auf Begutachtung und Alltag.
Dieser Beitrag ersetzt keine ärztliche Diagnose oder Therapieempfehlung. Bitte wenden Sie sich bei medizinischen Fragen an Ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte oder an den Notruf 112 in Akutsituationen.
COPD kurz erklärt
COPD ist eine Sammelbezeichnung für anhaltende Atemwegsverengung durch chronische Entzündung, vermehrte Schleimbildung und strukturelle Umbauprozesse in Bronchien und Lungengewebe. Die Lunge verliert ihre Elastizität, die Luft bleibt „gefangen“, das Ausatmen fällt schwer. Der Verlauf ist individuell, aber häufig fortschreitend. Mehr Bewegung, Rauchstopp, korrekt angewendete Inhalation und ein gutes Exazerbationsmanagement können die Lebensqualität deutlich verbessern. Zur Schweregradeinschätzung wird u. a. die GOLD-Klassifikation (Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease) genutzt; sie ordnet die Lungenfunktion in Stufen ein und kombiniert Symptome sowie Exazerbationsrisiko, um Therapie und Schulung zu planen.
Ursachen und Risikofaktoren
Hauptursache ist das Tabakrauchen, aktiv oder passiv. Daneben spielen Schadstoffexpositionen am Arbeitsplatz, Feinstaub, Biomasse-Rauch (offenes Feuer, schlecht belüftete Küchen) sowie wiederholte Atemwegsinfekte eine Rolle. Eine seltene, erblich bedingte Ursache ist der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, der schon früh zu Lungenüberblähung führen kann. Risikofördernd wirken auch niedriges Geburtsgewicht, vorbestehendes Asthma, bronchiale Hyperreagibilität und häufige Atemwegsentzündungen in Kindheit und Jugend. Wiederkehrende Exazerbationen beschleunigen den Funktionsverlust – Prävention und frühe Behandlung sind daher zentral.
Schweregrade (z. B. GOLD) und Verlauf
Die GOLD-Schweregrade (1–4) beschreiben die Stärke der Atemwegsverengung anhand der Lungenfunktion (FEV₁, forciertes Ausatemvolumen in 1 Sekunde). Zusätzlich wird das Symptomniveau über Fragebögen wie mMRC (modified Medical Research Council) oder CAT (COPD Assessment Test) und das Exazerbationsrisiko berücksichtigt. So entstehen Risikogruppen, die helfen, Therapie, Schulung und Reha zu priorisieren. Der Verlauf reicht von stabilen Phasen mit guter Belastbarkeit bis zu häufigen Exazerbationen und chronischer Ateminsuffizienz. Begleiterkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose, Angst und Depression beeinflussen die Prognose wesentlich.
Typische Symptome und Exazerbationen
Leitsymptome sind Atemnot (anstrengungs- und später ruheabhängig), chronischer Husten und Auswurf. Viele Menschen berichten über morgendliche Verschleimung, pfeifende Atmung und rasche Erschöpfung. Exazerbationen sind akute Verschlechterungen mit verstärkter Atemnot, mehr Husten und verändertem Sputum; sie werden durch Infekte, Luftschadstoffe oder Wetterumschwünge ausgelöst. Jede Exazerbation kann die Lungenfunktion langfristig verschlechtern und erhöht das Risiko für Klinikaufnahmen – ein strukturierter Aktionsplan ist daher unverzichtbar.
Folgen im Alltag & Pflegebedarf
COPD wirkt sich direkt auf Mobilität, Selbstversorgung und Teilhabe aus. Schon kurze Wegstrecken, Körperpflege im Stehen oder das Tragen von Einkaufstüten führen zu Atemnot. Viele Betroffene vermeiden Aktivitäten aus Angst vor Luftnot – mit der Folge von Muskelabbau, Konditionsverlust und mehr Hilfebedarf. Eine gute Alltagsorganisation, Energiemanagement und passende Hilfsmittel können Unabhängigkeit erhalten. Pflegende sollten Belastungsgrenzen erkennen, Pausen planen und Atemtechniken aktiv anleiten.
Atemnot, Belastbarkeit, Mobilität
Atemnot tritt oft bei Belastung auf – Treppen, längere Wege, Duschen oder Bücken. Strukturieren Sie Tätigkeiten in kleine Schritte, setzen Sie Sitzpausen und nutzen Sie die „Lippenbremse“ (pursed-lip-breathing) und atemerleichternde Positionen wie Kutschersitz oder Torwartstellung. Rollator, Sitzmöglichkeiten auf Wegen und rutschfeste Matten im Bad erhöhen Sicherheit. Wer Sauerstoff nutzt, profitiert von leichten, mobilen Systemen und Kabelmanagement zu Hause. Wichtig ist, Aktivität nicht vollständig zu vermeiden, sondern dosiert zu trainieren: „etwas außer Atem, aber nicht panisch“.
Ernährung, Gewichtsveränderungen, Energie-Management
Der Atemmuskelbedarf ist erhöht – Untergewicht verschlechtert Prognose und Belastbarkeit. Andererseits erschwert Übergewicht das Atmen und die Bewegung. Kleine, energiereiche Mahlzeiten, Eiweiß (z. B. Milchprodukte, Hülsenfrüchte, Fisch) und ausreichende Flüssigkeit helfen. Große, blähende Mahlzeiten vor Aktivität vermeiden. Einige profitieren von Trinknahrung (ärztlich verordnungsfähig). Energiemanagement heißt: Tätigkeiten bündeln, Hauptaufgaben in „gute“ Zeiten legen, Hilfsmittel konsequent einsetzen, Zwischenpausen einplanen und Atemtechniken integrieren.
Schlaf, Angst, Depression und soziale Teilhabe
Nächtliche Atemnot, Husten und häufiges Lagern stören den Schlaf. Kopfteil hoch lagern, Seitenlage testen und ggf. Atemmasken (bei nichtinvasiver Beatmung) sorgfältig anpassen. Angst und Depression sind häufig; sie verstärken Luftnot subjektiv und führen zu Aktivitätsvermeidung. Entspannungsverfahren, Atemschule, ggf. psychotherapeutische Unterstützung und Selbsthilfegruppen helfen, Sicherheit zurückzugewinnen. Soziale Teilhabe bleibt wichtig: kurze, planbare Treffen, barrierearme Wege und ein Plan B bei Atemnot wirken entlastend.
Auswirkungen je NBA-Modul (COPD-typisch)
| NBA-Modul | Mögliche Einschränkungen bei COPD | Woran Gutachterinnen achten | Tipp zur Dokumentation |
| M1 Mobilität | Kurzatmigkeit bei Treppen/wegen, unsicheres Gehen, Sturzangst, Pausenbedarf | Gehstrecken, Treppenstufen, Hilfsmittelgebrauch, Pausenhäufigkeit | Tagebuch: Wege in Metern/Stufen, Pausen, Rollatornutzung |
| M2 Kognitive/kommunikative Fähigkeiten | Konzentrationsabfall durch Hypoxie/Schlafmangel, Überforderung in Krisen | Verständlichkeit, Orientierung, Krisenkommunikation | Notieren: Vergesslichkeit bei Atemnot, Bedarf an Anleitung |
| M3 Verhaltensweisen/psychische Problemlagen | Angst, Panik bei Luftnot, Rückzug | Angst/Panik-Episoden, Beruhigungsstrategien | Häufigkeit/Dauer von Panik, was hilft, wer unterstützt |
| M4 Selbstversorgung | Duschen/Ankleiden nur sitzend, Pausen, Hilfestellung | Zeitbedarf, Selbstständigkeit, Hilfsmittel (Duschsitz, Greifer) | Zeiten für Körperpflege, Pausen, Assistenzbedarf |
| M5 Krankheits-/Therapiebedingte Anforderungen | Inhalation, Reinigung von Hilfsmitteln, Sauerstoff-/NIV-Management | Eigenständigkeit, Fehlerquote, Sicherheit (Rauchverbot) | Checklisten, wer stellt Geräte ein, Störungen/Leckagen |
| M6 Alltagsleben/soziale Kontakte | Aktivitätsvermeidung, Erschöpfung, seltene Teilhabe | Tagesstruktur, Hobbys, Teilnahmehäufigkeit | Wochenplan mit Aktivitäten, Absagen wegen Luftnot |
Behandlung & Therapie – Überblick
Die Behandlung bündelt mehrere Bausteine: korrekte Inhalation, Atemphysiotherapie, Bewegung und Reha, Rauchstopp, Impfprävention sowie – bei Bedarf – Langzeitsauerstoff und nichtinvasive Beatmung (NIV). Welcher Baustein wann passt, richtet sich nach Symptomen, Lungenfunktion und Exazerbationsrisiko. Für Zuhause sind Schulung, Routine und Hygiene bei Geräten entscheidend. Pflegefachkräfte können Technikfehler erkennen, motivieren und Rückmeldungen an die Praxis geben. Ziel ist nicht nur weniger Atemnot, sondern auch mehr Selbstwirksamkeit und Sicherheit.
Inhalation richtig anwenden (Schulung, Spacer)
Die beste Wirkung entsteht nur bei korrekter Technik. Dosieraerosole (MDI) profitieren von einem Spacer (Inhalationskammer), der Koordination erleichtert und Nebenwirkungen an Mund/Rachen reduziert. Pulverinhalatoren (DPI) erfordern kräftiges Einatmen – bei schwerer Atemnot oft schwierig. Vernebler sind bei akuter Verschlechterung oder bei Patientinnen mit Koordinationsproblemen hilfreich. Grundregeln: ruhig ausatmen, Dichtung am Mundstück, auslösen/einatmen je nach Gerät, Atem anhalten, langsam ausatmen. Nach inhalativen Kortikosteroiden: Mund spülen. Ein Technik-Check alle paar Monate ist Pflicht – ideal im Rahmen von Schulungen.
Sauerstofftherapie und (nichtinvasive) Beatmung – Grundprinzipien
Langzeitsauerstofftherapie wird bei chronischer Hypoxämie ärztlich verordnet. Systeme sind stationäre Konzentratoren (Netzbetrieb), mobile Geräte (Batterie) oder Flüssigsauerstoff. Sicherheit hat Vorrang: striktes Rauchverbot, Abstand zu Flammen, Schlauchmanagement gegen Stolpern. Reiseplanung benötigt rechtzeitig Organisation. Nichtinvasive Beatmung (NIV) unterstützt die Atmung über eine Maske – insbesondere bei chronischer Überblähung und erhöhtem Kohlendioxid. Erfolgsfaktoren sind passende Maske, sorgfältige Einstellungen, Hautschutz und regelmäßige Kontrolle. Homecare-Dienste helfen bei Einweisung, Wartung und 24/7-Störungsmanagement.
Atemphysiotherapie, Bewegung, Rauchstopp, Reha
Atemphysiotherapie vermittelt atemerleichternde Positionen, Lippenbremse, dosierte PEP-Techniken (positiver Ausatemdruck), Husten- und Sekretmanagement. Pulmonale Rehabilitation kombiniert Training, Schulung und psychosoziale Unterstützung – wirksam gegen Atemnot und Inaktivitätsspirale. Alltagsbewegung zählt: zügiges Gehen in Intervallen, leichtes Krafttraining, Treppen in Etappen. Rauchstopp verlangsamt die Verschlechterung entscheidend; verhaltenstherapeutische Programme und Medikamente können unterstützen. Impfungen (z. B. Influenza, Pneumokokken) sind häufig empfohlen – klären Sie dies individuell ärztlich ab.
Hilfsmittel & Wohnraumanpassung
Hilfsmittel reduzieren Atemnot im Alltag, erhöhen Sicherheit und erleichtern Pflege. Zentral sind Inhalationshilfen, Atem-/Sekretmanagement, Sauerstoffsysteme, Mobilitätshilfen sowie Sitz- und Schlafhilfen. Wohnraumanpassung verhindert Stürze und spart Energie: Sitzmöglichkeiten, Haltegriffe, barrierearme Wege und ein strukturiertes Kabel- und Schlauchmanagement. Beachten Sie die Schnittstelle: Medizinische Hilfsmittel (SGB V) verordnet die Ärztin/der Arzt; Pflegehilfsmittel (SGB XI) und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen beantragen Sie bei der Pflegekasse.
Inhalationshilfen, Peak-Flow, Sauerstoffsysteme
Spacer verbessern die Deposition bei Dosieraerosolen. Ladehilfen/Übungssimulatoren unterstützen die korrekte Anwendung von Pulverinhalatoren. Vernebler helfen, wenn Koordination oder inspiratorischer Fluss nicht ausreichen. PEP-Geräte und Atemtrainer (z. B. zur Sekretmobilisation) sind ergänzend sinnvoll, ersetzen aber keine Physiotherapie. Ein Pulsoximeter kann Trends zeigen, ersetzt jedoch keine ärztliche Beurteilung. Sauerstoffsysteme (stationär/mobil/Flüssig) erhöhen die Reichweite – entscheidend sind Trage-/Transportlösungen, Batterieplanung und Sicherheit.
Mobilitätshilfen, Sitz- und Schlafhilfen
Rollator mit Sitzfläche, leichtgängige Räder und Bremsen ermöglichen Pausen und stabilisieren das Gehen. Leichte Einkaufstrolleys, Greifhilfen und Rucksäcke mit breiten Gurten schonen Kraft. Duschsitz, rutschhemmende Matten und Haltegriffe sparen Energie beim Waschen. Im Bett entlastet ein verstellbarer Lattenrost oder Keilkissen den Oberkörper; bei NIV sorgt ein geeigneter Kissen-Schnitt für Dichtsitz der Maske. Kabel-/Schlauchhalter reduzieren Stolperrisiken und erleichtern das Umlagern.
Bad-/Wohnraumanpassung, Hausnotruf
Höhenangepasste WC-Sitze, Türschwellenrampen, gute Beleuchtung und freie Wege senken Sturzgefahr. Ordnungssysteme für Inhalatoren, Masken, Filter und Ersatzteile schaffen Übersicht. Ein Hausnotruf gibt Sicherheit bei akuter Atemnot – insbesondere, wenn allein lebend oder nachts unsicher. Speichern Sie Notfallkontakte im Telefon und kennzeichnen Sie Medikamente übersichtlich.
Hilfsmittel bei COPD (Beispiele)
| Kategorie | Hilfsmittel | Zweck/Nutzen | Verordnung/Kostenhinweis | Praxis-Tipp |
| Inhalation | Spacer für MDI | Bessere Koordination, weniger Nebenwirkungen | Ärztliche Verordnung (SGB V) | Regelmäßig reinigen, Masken/ventile prüfen |
| Inhalation | Pulverinhalator-Ladehilfe/Trainer | Technik üben, korrekter Fluss | SGB V, teils Eigenanteil | Technik in der Sprechstunde überprüfen lassen |
| Verneblung | Düsen-/Membranvernebler | Medikamentenabgabe bei Koordinationsproblemen | SGB V | Mundstück statt Maske bevorzugen, wenn möglich |
| Sekret | PEP-System/Atemtrainer | Sekretmobilisation, Ausatmungsunterstützung | SGB V (teils), Physiotherapie ergänzend | Nutzung in Atemtherapie schulen |
| Monitoring | Pulsoximeter | Trendkontrolle SpO₂ in Ruhe/Belastung | Häufig Selbstkauf, teils Hilfsmittel | Messung im Sitzen, warme Finger |
| O₂ stationär | Konzentrator (Netz) | Basisversorgung zu Hause | SGB V, Stromkostenregelung klären | Schlauchlänge sicher verlegen |
| O₂ mobil | Tragbarer Konzentrator/Flüssigsauerstoff | Reichweite außer Haus | SGB V, Genehmigung/Bedarfsprofil | Akku-/Reservemanagement planen |
| Beatmung | NIV-Gerät + Maske | Entlastet Atemarbeit, CO₂-Senkung | SGB V | Hautschutz, Leckagen protokollieren |
| Mobilität | Rollator mit Sitz | Pausen, Stabilität, Energie sparen | SGB V (Gehhilfen) | Griffhöhe auf Handgelenk einstellen |
| Bad | Duschsitz/Haltegriffe | Sicheres Waschen, Sturzprävention | Pflegekasse (SGB XI) oft förderfähig | Montage fachgerecht, rutschhemmend |
| Wohnen | Hausnotruf | Alarmierung bei Atemnot/Sturz | Pflegekasse (SGB XI) | Sender täglich testen |
| Wohnen | Wohnraumanpassung (z. B. Rampen) | Barrierearmut, Wege verkürzen | Zuschüsse über Pflegekasse möglich | Fotos/Vorher-Nachher für Antrag |
Notfälle & Exazerbation managen
Exazerbationen beschleunigen den Verlauf und erhöhen Risiken. Ein klarer Plan entscheidet, ob Sie rechtzeitig handeln. Schulen Sie Warnzeichen, legen Sie Schwellen fest und definieren Sie, wer wann informiert wird. Pflegende sollten Alarmzeichen erkennen, Ruhe ausstrahlen, atemerleichternde Positionen anleiten und – falls vorhanden – Verordnungen im Aktionsplan prüfen. Wenn Unsicherheit besteht: im Zweifel frühzeitig ärztlich abklären oder 112 rufen.
Warnzeichen erkennen und handeln (112)
Warnhinweise sind zunehmende Atemnot in Ruhe, Sprechnot („nur Ein-Wort-Sätze“), ausgeprägte Erschöpfung, bläuliche Lippen/Nägel, Bewusstseinstrübung, stark beschleunigte Atemfrequenz, hochfieberhafte Infekte oder Brustschmerzen. Bei solchen Zeichen sofort 112 wählen. Bis der Rettungsdienst eintrifft: aufrichten, Lippenbremse anleiten, beruhigen, frische Luft, beengende Kleidung lösen, verordnete Akut-Medikation bereitstellen. Sauerstoff nur nach ärztlicher Anordnung einsetzen und Sicherheitsregeln beachten.
Individueller Notfall-/Aktionsplan
Ein schriftlicher Plan legt fest: persönliche Frühwarnzeichen, erste Schritte (Ruhe, Atemtechnik, verordnete Bedarfsmedikation), wen anrufen (Hausarztpraxis, Bereitschaftsdienst, Homecare). Ein „Ampelmodell“ hilft: Grün = stabil; Gelb = Warnzeichen, Arztkontakt; Rot = schwere Atemnot, 112. Pflegende dokumentieren Wirkung und Zeiten. Nach einer Exazerbation besprechen Sie mit der Praxis, wie Rückfällen vorgebeugt werden kann (z. B. Schulung, Technik-Check, Reha, Impfstatus).
Dokumente und Medikamente griffbereit
Halten Sie bereit: Medikationsplan, Inhalationsplan, Allergien, Notfallkontakte, Entlassbriefe, Gerätepass (Sauerstoff/NIV), Patientenverfügung (falls vorhanden). Bewahren Sie Akut-Medikamente sichtbar und geordnet auf. Markieren Sie Verfallsdaten und führen Sie eine kleine Checkliste „Letzter Technik-Check/Filterwechsel“.
Pflegegrad & Leistungen
COPD kann einen Pflegegrad begründen, wenn die Einschränkungen der Selbstständigkeit erheblich sind. Antragsteller wenden sich an die Pflegekasse ihrer Krankenkasse. Die Begutachtung erfolgt nach dem Neuen Begutachtungsassessment (NBA) – sechs Module bewerten Selbstständigkeit, nicht die Diagnose. Für den Alltag bedeutsam ist die kluge Kombination von Leistungen: Pflegegeld, ambulante Sachleistung, Kombinationsleistungen, Entlastungsbetrag, Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie wohnumfeldverbessernde Maßnahmen. Parallel über die Krankenversicherung laufen medizinische Hilfsmittel, Heil- und Arzneimittel.
Pflegegrad beantragen: Nachweise und Begutachtung
Stellen Sie den Antrag formlos telefonisch oder schriftlich; die Pflegekasse bestätigt dies. Sammeln Sie vor dem Begutachtungstermin Nachweise: Pflegetagebuch (Wege, Treppen, Pausen, Atemnot), Krankenhausberichte, Reha-Entlassbriefe, Therapiepläne, Fotos von Wohnraumanpassung, Hilfsmittelverordnungen. Am Begutachtungstag Alltag realistisch darstellen – keine „guten Tage“ vorspielen. Zeigen Sie, wie Atemnot Abläufe verlangsamt, Pausen erzwingt und Anleitung nötig macht. Benennen Sie nächtliche Probleme, Panikattacken und Sturzrisiken.
Relevante Leistungen: Pflegegeld, Sachleistung, Entlastungsbetrag
Pflegegeld gibt es bei Pflege durch Angehörige; ambulante Sachleistung, wenn ein Pflegedienst unterstützt. Beides lässt sich kombinieren (Kombinationsleistung). Der Entlastungsbetrag kann z. B. für anerkannte Angebote im Alltag, Gruppenbetreuung oder Unterstützung im Haushalt genutzt werden. Kurzzeit- und Verhinderungspflege überbrücken Krisen, Krankenhausnachsorge oder Urlaubszeiten pflegender Angehöriger. Pflegekurse stärken Fertigkeiten, etwa bei Atemtechniken, Inhalation, Transfers.
Schnittstellen: Hilfsmittel (SGB V) vs. Pflegehilfsmittel (SGB XI)
Medizinische Hilfsmittel (z. B. Inhalationshilfen, Sauerstoff, NIV, Rollatoren) verordnet die Ärztin/der Arzt und die Krankenkasse genehmigt. Pflegehilfsmittel (z. B. Einmalhandschuhe, Desinfektion, Bettschutzeinlagen, Hausnotruf) laufen über die Pflegekasse. Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen (z. B. Duschumbau, Rampen) können bezuschusst werden, wenn sie Selbstständigkeit erhöhen oder Pflege erleichtern. Wichtig ist eine gute Begründung mit Alltagsbezug und – wenn möglich – Fotos/Skizzen.
Leistungsüberblick je Pflegegrad (Kernleistungen)
| Pflegegrad | Häusliche Pflege (Pflegegeld/Sachleistung/Kombi) | Entlastungsleistungen | Kurzzeitpflege/Verhinderungspflege | Wohnraumanpassung/Hilfsmittel-Hinweis |
| PG 1 | Entlastungsorientiert, kein Pflegegeld | Entlastungsbetrag nutzbar | ggf. Zuschüsse begrenzt | Wohnumfeldmaßnahmen möglich, ärztliche Hilfsmittel getrennt |
| PG 2 | Pflegegeld/Sachleistung wählbar | Alltagsunterstützung, Betreuungsangebote | zeitlich begrenzte Entlastung | Zuschüsse für Anpassungen, Hausnotruf oft sinnvoll |
| PG 3 | Erweiterte Sachleistung/Kombi | Mehr Betreuung, Tagespflege | höhere Inanspruchnahme möglich | Barriereanpassungen priorisieren |
| PG 4 | Hoher professioneller Einsatz | Kombination mit Tages-/Nachtpflege | planbare Entlastungsblöcke | Umfassende Umbauten prüfen |
| PG 5 | Umfassende Versorgung | intensive Entlastung/Kurzzeitpflege | häufige Nutzung erforderlich | Komplexe Anpassungen/Geräteabsprachen |
Begutachtung: So stellen Sie den Bedarf realistisch dar
Die Begutachtung misst Alltagsfolgen – nicht die „Härte“ der Diagnose. Entscheidend ist, wie schnell Atemnot entsteht, wie lange Pausen dauern und wie viel Anleitung nötig ist. Pflegende sollten konkrete Beispiele nennen: Wie weit kommen Sie ohne Pause? Wie oft stockt die Körperpflege? Welche Treppen schaffen Sie? Welche Hilfsmittel müssen vorbereitet oder gereinigt werden? Je konkreter, desto besser.
Pflegetagebuch und Atemnot im Alltag dokumentieren
Führen Sie zwei bis drei Wochen ein Tagebuch mit Uhrzeiten, Tätigkeiten, Pausen, Atemnot (z. B. Skala 0–10), Husten, Sputum, Angst. Notieren Sie, wann Sie Hilfe brauchen (Anleitung, körperliche Unterstützung). Halten Sie fest, wie oft Inhalatoren, Spacer, Vernebler, Sauerstoff eingesetzt werden und welchen Aufwand Reinigung und Vorbereitung bedeuten. Vergessen Sie die Nächte nicht.
Belastungstests im Alltag (Treppen, Wege, Körperpflege) schildern
Beschreiben Sie realistisch: „Eine Treppe mit 15 Stufen nur mit zwei Pausen; Duschen nur im Sitzen; Weg zum Briefkasten mit Rollator und Sitzpause.“ Benennen Sie Sturzrisiken, Erschöpfung nach dem Duschen und Unsicherheit bei akuter Atemnot. Zeigen Sie, welche Erleichterung Haltegriffe, Duschsitz, Rollator und gute Lüftung bringen – und was ohne Hilfe nicht geht.
Nächtliche Symptome, Krisen, Krankenhausaufenthalte belegen
Nächtliche Atemnot, Hustenserien, Maskenleckagen (bei NIV), Panikattacken und Toilettengänge mit Luftnot sind bedeutsam. Führen Sie eine Liste mit Datum, Uhrzeit, Dauer, Maßnahmen und ggf. Rettungsdiensteinsätzen. Legen Sie Entlassbriefe, Reha-Berichte und Therapiepläne bereit. So wird die Pflegebedürftigkeit nachvollziehbar.
Angehörige, Selbsthilfe & Entlastung
Pflege gelingt besser, wenn Rollen klar sind, Aufgaben verteilt werden und Entlastung fest eingeplant ist. Angehörige sollten Basic-Skills wie Atemerleichterung, Inhalationstechnik, Transfers und Notfallkommunikation beherrschen. Selbsthilfegruppen bieten Erfahrungsaustausch, Motivation und praktische Tipps. Beratungsstellen klären zu Leistungen, Hilfsmitteln und Wohnraumanpassung auf – nutzen Sie diese Ressourcen frühzeitig.
Rollen klären und Aufgaben verteilen
Wer koordiniert Termine, Rezepte, Hilfsmittel? Wer begleitet zur Praxis? Wer übernimmt Haushalt, Einkauf, Begleitung bei Spaziergängen? Ein Wochenplan mit Zuständigkeiten beugt Überlastung vor. Pflegende brauchen Grenzen, Pausen und Vertretungen.
Entlastungsbetrag und Kurzzeit-/Verhinderungspflege
Planen Sie Entlastung bewusst ein: anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag, stundenweise Betreuung, Tages-/Nachtpflege, Verhinderungspflege bei Ausfall pflegender Angehöriger, Kurzzeitpflege nach Klinikaufenthalten. Legen Sie „Entlastungsinseln“ im Kalender an – regelmäßig statt nur im Notfall.
Selbsthilfegruppen, Schulungen, Beratung
COPD-Gruppen, Atemschulen, Reha-Nachsorge und Pflegekurse vermitteln Wissen und Sicherheit. Schulungen verbessern Inhalationstechnik, stärken den Umgang mit Atemnot und fördern Bewegung. Beratungsstellen unterstützen bei Anträgen, Widersprüchen und der Abgrenzung SGB V/SGB XI.
FAQ – COPD & Pflege
COPD wirft viele Detailfragen auf – von Reisen mit Sauerstoff bis zur Frage, ob ein Peak-Flow für Sie sinnvoll ist. Die folgenden Kurzantworten geben Orientierung für typische Alltagssituationen. Sie ersetzen keine individuelle ärztliche Beratung, helfen aber, die richtigen nächsten Schritte zu planen, Unterlagen zu sammeln und Anträge zielgerichtet zu stellen. Nutzen Sie die Punkte auch als Gesprächsleitfaden in Praxis, Reha oder mit dem Pflegedienst.
Was ist eine Exazerbation bei COPD?
Eine akute, über Tage anhaltende Verschlechterung von Atemnot, Husten und Auswurf, oft durch Infekte oder Reize. Sie erfordert einen Aktionsplan und ggf. ärztliche Behandlung.
Woran erkenne ich, dass die Inhalationstechnik korrekt ist?
Wenn Sie ohne Hustenreiz inhalieren, der Atem 5–10 Sekunden angehalten werden kann und die Beschwerden spürbar nachlassen. Lassen Sie Technik regelmäßig prüfen.
Welche Sportarten sind bei COPD geeignet?
Gehen, Radfahren, leichtes Krafttraining und Atemtherapie-Übungen in Intervallen. Ziel: moderat fordern, nicht überfordern. Reha-Programme sind besonders wirksam.
Darf ich mit Sauerstoff fliegen?
Ja, mit Planung. Klären Sie frühzeitig Bedarfe, Geräte, Akkus und Airline-Vorgaben. Bescheinigungen der Ärztin/des Arztes sind meist notwendig.
Was tun bei Atemnot-Panik?
Aufrichten, Lippenbremse, ruhig zählen, Blickkontakt, beruhigende Sprache. Akut-Medikation nach Plan, wenn verordnet. Bei schwerer Atemnot: 112.
Ist ein Peak-Flow-Meter bei COPD sinnvoll?
Begrenzt. Es kann Trends zeigen, ersetzt aber keine Lungenfunktion. Wichtiger sind Symptome, Belastbarkeit und ärztliche Kontrollen.
Wie oft Filter/Schläuche bei Sauerstoff wechseln?
Nach Hersteller-/Homecare-Vorgaben. Führen Sie einen Wartungsplan mit Daten für Filterwechsel, Schlauchtausch und Hygiene.
Welche Wohnraumanpassungen werden gefördert?
Z. B. Duschumbau, Haltegriffe, Rampen, Türverbreiterung. Entscheidend ist die Begründung: mehr Selbstständigkeit, weniger Sturzrisiko, Pflegeerleichterung.
Wie dokumentiere ich den Pflegebedarf am besten?
Mit einem Pflegetagebuch: Wege, Pausen, Atemnot-Skala, Hilfebedarf, nächtliche Ereignisse, Sturzrisiken, Einsatz von Hilfsmitteln.
Was ist der Unterschied zwischen Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln?
Hilfsmittel (SGB V) sind medizinisch verordnet, z. B. Inhalatoren, Sauerstoff, Rollator. Pflegehilfsmittel (SGB XI) erleichtern Pflege, z. B. Handschuhe, Desinfektion, Hausnotruf.
Kann ich Pflegegeld und ambulante Pflegesachleistungen kombinieren?
Ja, als Kombinationsleistung. Höhe und Verteilung richten sich nach dem tatsächlich genutzten Sachleistungsanteil.
Wann ist eine Rehabilitation sinnvoll?
Bei Luftnot im Alltag, nach Exazerbationen, bei Inaktivität und Unsicherheit im Umgang mit Geräten. Reha verbindet Training, Schulung und psychosoziale Unterstützung.
Kann COPD mit Asthma verwechselt werden?
Symptome sind ähnlich, Ursachen und Verlauf unterscheiden sich. Manche haben Merkmale beider Erkrankungen (Overlap). Abklärung erfolgt ärztlich.
Was tun bei Appetitverlust und Gewichtsabnahme?
Kleine, eiweißreiche Mahlzeiten, ggf. Trinknahrung, Ernährungsberatung. Ziel ist Gewichtsstabilisierung und Muskelaufbau.
Wie gehe ich mit Husten und zähem Schleim um?
Ausreichend trinken, Atemphysiotherapie mit PEP/Drainagelagen, korrektes Husten. Bei Fieber/farbigem Sputum: ärztlich abklären.
Welche Impfungen sind häufig empfohlen?
Grippe (jährlich) und Pneumokokken werden häufig empfohlen; außerdem Standardimpfungen. Klären Sie das individuell in der Praxis.
Fazit
COPD beeinflusst den Alltag umfassend – vom Zähneputzen bis zum Treppensteigen. Entscheidend ist, Atemnot früh zu adressieren und Hilfen klug zu kombinieren: korrekte Inhalation, Atemphysiotherapie, Bewegung und – falls verordnet – Sauerstoff oder NIV. Ein individueller Aktionsplan mit klaren Schwellen verhindert Verzögerungen im Notfall. Gleichzeitig sichern Hilfsmittel und Wohnraumanpassungen Energie und Sicherheit. Nutzen Sie konsequent die Leistungen der Pflege- und Krankenversicherung, dokumentieren Sie den Bedarf alltagsnah und bereiten Sie die Begutachtung gut vor. Angehörige und Pflegedienste sind wertvolle Partner, Selbsthilfe und Schulungen stärken die Selbstwirksamkeit. So bleibt trotz COPD mehr Selbstständigkeit möglich – mit Plan, Übung und passender Unterstützung.


