Ein Koma oder eine andere schwere Bewusstseinsstörung stellt Angehörige und Pflegeteams vor enorme organisatorische, pflegerische und emotionale Herausforderungen. Dieser Ratgeber hilft Ihnen, Bewusstseinszustände fachlich korrekt einzuordnen (ohne eine ärztliche Diagnose zu ersetzen) und die Versorgung in Alltag, Therapie und Pflege strukturiert zu planen. Dabei geht es um praktische Abläufe vom Lagerungsplan bis zur Sekret- und Dekubitusprophylaxe, um Sicherheitsfragen, um Kommunikation im Team sowie um die sinnvolle Nutzung von Hilfsmitteln.
Ebenso wichtig sind verlässliche Informationen zu Leistungen: Pflegegrad, außerklinische Intensivpflege (AKI), Hilfsmittelversorgung, Kurzzeit- und Verhinderungspflege, Entlastungsleistungen und die Schnittstellen zwischen gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und Pflegeversicherung (SGB V/SGB XI). Sie finden hier konkrete Checklisten, Formulierungshilfen für Begutachtungen und Hinweise, wie Sie den 24-Stunden-Bedarf nachvollziehbar dokumentieren. Bei akuten Verschlechterungen immer den Notruf 112 wählen.
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Bewusstseinszustände verstehen
Bewusstseinsstörungen bilden ein Spektrum („Disorders of Consciousness“, DoC). Für Versorgungsentscheidungen ist es zentral, Begriffe sauber zu trennen, Verlauf zu beobachten und Veränderungen systematisch festzuhalten. Angehörige sollten wissen, welche Reize sinnvoll sind, woran sich Fortschritte erkennen lassen und wann ärztliche Rücksprache nötig ist. Pflegeteams brauchen standardisierte Skalen (z. B. GCS, CRS-R, RASS), ein gemeinsames Vokabular und klare Ziele pro Pflegephase. Diese Einordnung ersetzt keine Diagnostik, hilft aber, Maßnahmen zu priorisieren, Über- und Unterstimulation zu vermeiden und Prognosegespräche realistisch zu führen.
Koma vs. Minimal Conscious State/Apallisches Syndrom (Begriffsklärung)
„Koma“ bezeichnet einen Zustand anhaltender Bewusstlosigkeit ohne Weckbarkeit und ohne zielgerichtete Reaktionen. Es fehlt die Schlaf-Wach-Zyklisierung, die Augen bleiben geschlossen.
Das Apallische Syndrom (auch „Wachkoma“ oder international Unresponsive Wakefulness Syndrome, UWS) zeigt offene Augen und Schlaf-Wach-Rhythmus, aber keine nachweisbar zielgerichteten Reaktionen: Bewegungen wirken reflexhaft, Kommunikation ist nicht verlässlich möglich.
Der Minimal Conscious State (MCS, minimaler Bewusstseinszustand) beschreibt fluktuierende, aber reproduzierbare Anzeichen bewusster Wahrnehmung: gezieltes Fixieren, konsistente Ja/Nein-Antworten (auch nonverbal), purposeful movements. Zwischen UWS und MCS wird in der Praxis häufig mithilfe strukturierter Skalen unterschieden. Wichtig: Der Übergang ist oft graduell; Tagesform, Medikamente, Müdigkeit oder Infekte beeinflussen das Bild.
Ursachen (z. B. Schädel-Hirn-Trauma, Hypoxie, Schlaganfall)
Häufige Ursachen sind Schädel-Hirn-Trauma (Verkehr, Sturz, Gewalt), hypoxisch-ischämische Schäden nach Reanimation oder Erstickungsereignissen, Schlaganfälle (ischämisch/hämorrhagisch) und intrakranielle Blutungen. Ebenfalls bedeutsam sind Intoxikationen, metabolische oder endokrinologische Entgleisungen (z. B. schwere Hypoglykämie), Infektionen (Enzephalitis, Meningitis, Sepsis), Tumoren und postoperative Komplikationen.
Für Pflege und Therapie relevant ist die Primärursache ebenso wie Sekundärschäden (z. B. erhöhter Hirndruck, Krampfereignisse), Begleiterkrankungen (Herz-, Lungen-, Nierenfunktion), sowie die Medikation (Sedativa, Antiepileptika). Der Versorgungspfad unterscheidet sich, je nachdem ob eine Beatmung, ein Tracheostoma, eine PEG/PEJ-Sonde oder spezielle Reha-Bedarfe bestehen.
Prognosefaktoren (ohne individuelle Aussagen)
Prognoseabschätzungen bleiben individuell und gehören in ärztliche Hände. Allgemeine Faktoren sind Ursache und Ausmaß der Hirnschädigung, Dauer des komatösen Zustands, Alter, Komorbiditäten, Befunde aus Bildgebung und Neurophysiologie (EEG, evozierte Potenziale), Verlauf von Reflexen und Spontanreaktionen sowie Frührehabilitation.
Pflegefachlich ist bedeutsam, dass frühzeitige, konsequente Prophylaxen (Atemwege, Lagerung, Haut, Kontrakturen, Thrombosen) Komplikationen und damit Folgeschäden reduzieren können. Angehörige sollten auf Plateau-Phasen vorbereitet sein; kleine, reproduzierbare Fortschritte zählen. Dokumentation macht Veränderungen sichtbar und stärkt die Versorgungskontinuität.
Versorgung und Pflege
Versorgung im Koma oder bei DoC ist eine 24/7-Aufgabe mit hoher Fachlichkeit. Sie umfasst Basale Stimulation, Lagerung, Kontraktur- und Dekubitusprophylaxe, Atemwegsmanagement, Ernährung, Flüssigkeit und Ausscheidung – jeweils eingebettet in Schmerzbeobachtung, Infektprävention, Hygiene, Mobilisation und Angehörigenanleitung. Struktur entsteht durch Tagespläne, Lagerungsschemata, Checklisten und klare Notfallabläufe (z. B. bei Atemwegsproblemen). Ziel sind Komplikationsvermeidung, Wahrnehmungsförderung, Erhalt von Funktionen und – wenn möglich – Rehabilitationsfortschritte. Vereinbaren Sie feste Evaluationspunkte (z. B. wöchentlich), um Maßnahmen anzupassen.
Basale Stimulation, Lagerung, Kontraktur-/Dekubitusprophylaxe
Basale Stimulation nutzt einfache, strukturierte Reize, um Wahrnehmungssysteme anzusprechen: taktil (Waschungen mit klaren Bewegungsrichtungen), vestibulär (Lagerungswechsel), propriozeptiv (Weichteildruck), olfaktorisch (vertraute, nicht stechende Düfte), auditiv (ruhige Stimme, bekannte Stimmen). Wichtig sind Reizdosierung und Rituale: erst ankündigen, dann handeln, danach nachspüren lassen.
Lagerung folgt einem Plan (z. B. 135°-Lagerung, 30°-Schräglagerung, Mikrolagerungen), um Druckspitzen zu vermeiden, Atmung zu erleichtern und Tonus auszubalancieren. Lagern Sie individuell: Kontrakturgefahr, Skoliose-Tendenzen, Spastik, Schmerzreaktionen.
Zur Kontrakturprophylaxe zählen passive/assistive Bewegungen, funktionelle Schienen, Weichteilmobilisation, Wärmeanwendungen (wenn verträglich) und interprofessionelle Abstimmung mit Physio-/Ergotherapie.
Dekubitusprophylaxe braucht Hautinspektion (Stadium 0 erfassen), geeignete Antidekubitus-Systeme, Feuchtigkeitsmanagement (Inkontinenzversorgung), Ernährung und Mobilität – und eine lückenlose Dokumentation von Lagerungszeitpunkten, Hautbefunden und Maßnahmen.
Ernährung (Sonden), Flüssigkeit, Ausscheidung
Ernährung erfolgt häufig über Nasogastralsonde, PEG (perkutane endoskopische Gastrostomie) oder PEJ. Die enterale Ernährung wird mit Diätassistenz und ärztlicher Begleitung geplant: Energie-/Eiweißbedarf (Druckulzera, Spastik, Infekte erhöhen Bedarf), Mikronährstoffe, Ballaststoffe, Flüssigkeitsziele. Achten Sie auf Refeeding-Risiko nach längerer Nüchternheit.
Sondenmanagement: Lagekontrolle nach Standard, Spülen (Wasser), Hygiene, Fixierung, Beobachtung auf Leckage/Granulationsgewebe, Aspirationsschutz (Oberkörperhochlagerung). Residualmengenbeurteilung nur nach ärztlichem Standard.
Flüssigkeit: Bilanzierung, Anzeichen von Dehydratation (trockene Schleimhäute, Hypotonie, Tachykardie), Elektrolytverschiebungen erkennen (z. B. bei Diuretika, Fieber).
Ausscheidung: Darmmanagement mit fester Routine (Zeitfenster, Bauchmassage, digitale Ausräumung nur nach Anordnung), Obstipationsprophylaxe (Ballaststoffanteil, Flüssigkeit, ggf. Laxantien), Diarrhö-Abklärung. Blasenmanagement: Inkontinenzversorgung, Katheterstellungen kritisch prüfen (Infektionsrisiko!), Suprapubiskatheter-Pflege, Trinkmengenanpassung.
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Atemwegsmanagement, Sekret, Tracheostoma (falls vorhanden)
Atemwege sind zentrale Sicherheitszone. Beobachten Sie Atemfrequenz, Muster, Geräusche, SpO₂, CO₂ (wenn vorhanden), Hautfarbe, Schweiß, Unruhe. Sekretmanagement umfasst ausreichende Luftfeuchte, Flüssigkeit, ggf. Inhalation (NaCl, verordnet), Brustkorb-Vibration/Dehnlagerung, Hustentechniken (Cough Assist nach Anordnung) und sichere Absaugung (steril/hygienisch, adäquate Druckeinstellung, nicht zu lange).
Bei Tracheostoma: tägliche Inspektion, Kanülenfixierung, Hautschutz, Kanülenwechsel nach Standard, Cuff-Druckkontrollen (nicht zu hoch, Aspirationsschutz vs. Schleimhauttrauma abwägen), Sprechventile nur interprofessionell testen. Achten Sie auf Verkrustungen, Granulationsgewebe, Fehlplatzierung, Blutungen.
Beatmung (invasive oder nichtinvasive) bedarf spezifischer Qualifikation. Prüfen Sie Alarmeinstellungen, Befeuchtung, Filterwechsel, Schlauchsysteme. Legen Sie Notfallpläne fest: Wer macht was bei Kanülendislokation, Sekretplug, Sauerstoffabfall? Notfallmaterial (Ersatzkanüle, Mandrin, Gleitmittel, Absaugkatheter, AMBU-Beutel, O₂) griffbereit halten. Nach jedem Ereignis: CIRS-ähnliche Kurz-Analyse, Maßnahmen anpassen.
Hilfsmittel & Wohnumfeld
Die richtige Hilfsmittelversorgung schafft Sicherheit, entlastet pflegerisch und erhöht die Chance auf Teilhabe – auch im minimalen Bewusstseinszustand. Planen Sie vom Pflegebett über Antidekubitus-Systeme, Positionierungshilfen und Transfertechnik bis zu Stimulations- und Kommunikationshilfen. Prüfen Sie Türbreiten, Stellflächen, Stromkreise (Sauerstoff, Beatmungsgerät, Absaugung), Akkupufferungen und USV-Lösungen für kritische Geräte. Denken Sie an Brandschutz, Transportwege (Treppen, Aufzug), und eine sinnvolle Zonierung (Pflegeplatz, Material, Notfall-Ecke). Gute Fotos/Skizzen helfen dem Kostenträger beim Verständnis.
Pflegebett, Antidekubitus, Lagerungssysteme
Ein elektrisch verstellbares Pflegebett mit Aufrichter erleichtert Lagerung, Pflegehandlungen und beugt Rückenbelastungen vor. Matratzensysteme (Weichlagerung, Wechseldruck, viskoelastisch) werden nach Risiko gewählt; kombinieren Sie mit Mikrolagerungs-Kissen, U-Kissen, Positionsrollen und Kontrakturschienen. Rutschhemmende Auflagen, Gleitmatten und Drehteller unterstützen Transfers. Prüfen Sie kompatible Bettseitensicherungen (Sturzprävention, kein Freiheitsentzug ohne rechtliche Grundlage), flexible Tagesbett-Lösungen im Wohnraum und ausreichende Arbeitsflächenbeleuchtung für Versorgung am Bett.
Kommunikation/Stimulationshilfen
Auch ohne verlässliche Kommunikation lohnt strukturierte Stimulation: bekannte Musik in moderater Lautstärke, Gerüche mit Erinnerungswerten, Fotos, tastbare Gegenstände (Texturen), vibrotaktile Reize. Für Frühkommunikation können einfache Ja/Nein-Codes (Blick, Fingerbewegung, Augenbraue) erprobt werden. Hilfreich sind Schalter-/Taster-Systeme mit minimalem Trigger (z. B. Kopf-, Finger-, Lidsensoren), akustische Rückmeldungen, visuelle Feedback-Boards. Führen Sie ein Stimulationsprotokoll: Was wurde angeboten, wie lange, welche Reaktion? Vermeiden Sie Dauerbeschallung; Qualität vor Quantität.
Transport und Sicherheit
Für Fahrten zu Arzt, Therapie oder Kurzzeitpflege brauchen Sie sichere Transferhilfen (Lifter, Rutschbretter, Gurtsysteme), ggf. Sitzschalen oder Spezialrollstühle mit Kopf-/Rumpfkontrolle. Prüfen Sie Fahrzeugtauglichkeit (Rampe/Hebebühne, Zurrpunkte), Kälteschutz im Winter, Hitzeprävention im Sommer. Bei Beatmung/Tracheostoma: mobile Absaugung, Ersatzkanüle, O₂, Akkus, Checkliste „Go-Bag“. Zuhause: Sturz- und Brandschutz, sichere Kabelwege, Notrufoptionen, klare Beschilderung (Absaugung, O₂, Notfallplan). Schulen Sie alle Beteiligten regelmäßig.
Hilfsmittel – Koma/Disorders of Consciousness
| Kategorie | Hilfsmittel | Zweck/Nutzen | Kostenträger (typisch) | Verordnung/Antrag | Hinweise für die Praxis |
| Lagerung & Druckentlastung | Pflegebett elektrisch, Aufrichter, Seitengitter, Antidekubitus-Matratze, Lagerungskissen | Dekubitus-/Sturzprophylaxe, pflegerische Entlastung | GKV (Hilfsmittel), Pflegekasse (wohnumfeldverbessernde Maßnahmen) | Ärztliche Verordnung; ggf. Kostenvoranschlag | Matratzentyp nach Risikoprofil auswählen; Seitensicherung rechtlich prüfen |
| Transfer | Deckenlifter/Mobilift, Stand-/Sling-Lifter, Gleitmatten, Rutschbrett | Rückenschonende Transfers, Sicherheit | GKV (Hilfsmittel) | Ärztliche Verordnung; Einweisung | Regelmäßige Gurt-/Schlingen-Kontrollen, Teamtraining |
| Beatmung/Tracheostoma | Absauggerät, Inhalationsgerät, Befeuchtung, Ersatzkanüle, AMBU-Beutel, O₂-System | Atemwegsmanagement, Notfallsicherheit | GKV (Behandlungspflege/Hilfsmittel) | Ärztliche Verordnung; Homecare-Service | Notfallset vollständig halten; Akku-/USV-Plan |
| Ernährung | PEG/PEJ-Systeme, Ernährungspumpe, Spritzen, Verbandsmaterial | Sichere enterale Ernährung | GKV | Ärztliche Verordnung; Homecare-Belieferung | Spülpläne, Hautpflege an der Eintrittsstelle |
| Inkontinenz | Vorlagen, Katheter, Urin-Beinbeutel, Suprapubis-Zubehör | Hautschutz, Komfort, Infektprophylaxe | GKV | Ärztliche Verordnung | Regelmäßige Hautinspektion; Trinkmengen im Blick |
| Kommunikation/Stimulus | Taster/Sensoren, vibrotaktile Geräte, Musikplayer mit Timer, Bildtafeln | Wahrnehmungsförderung, Frühkommunikation | GKV teils, sonst Eigenanteil/Sozialhilfeträger | Einzelfallentscheidung, ggf. Eingliederungshilfe | Reizdosierung, Protokollführung |
| Mobilität | Lagerungs-/Pflege-Rollstuhl, Sitzschale, Kopf-/Rumpfstützen, Gurtsysteme | Sicherer Transport, Positionierung | GKV (Hilfsmittel) | Ärztliche Verordnung, Anpassung Sanitätshaus | Druckstellenkontrolle, Nachjustage |
| Sicherheit/Haustechnik | USV/Notstrom, Rauchmelder, Verriegelungstechnik, Beleuchtung | Versorgungssicherheit, Brandschutz | Eigenanteil/Sozialhilfeträger, ggf. Pflegekasse | Wohnumfeldverbesserung beantragen | Fotodokumentation/Begründung beilegen |
Leistungen & Finanzierung
Leistungen setzen sich aus Krankenversicherung (SGB V), Pflegeversicherung (SGB XI) und ggf. Eingliederungshilfe/Sozialhilfe (SGB IX/XII) zusammen. Entscheidend sind richtige Anträge, saubere Begründungen und lückenlose Nachweise. Planen Sie die Finanzierung lebenslagenorientiert: akut, Übergangsphase, Langzeit. Prüfen Sie immer auch Kombinationsmöglichkeiten (Sachleistung + Pflegegeld), Entlastungsbetrag, Hilfsmittel, wohnumfeldverbessernde Maßnahmen und – bei intensivem Bedarf – Außerklinische Intensivpflege (AKI). Klären Sie Zuständigkeiten frühzeitig und halten Sie alle Entscheidungen schriftlich fest.
Pflegegrad (Module, Nachweise, nächtlicher Bedarf)
Stellen Sie sofort einen Antrag auf Pflegegrad bei der Pflegekasse. Die Begutachtung erfolgt durch den MD (gesetzlich) bzw. MEDICPROOF (privat). Bewertet werden sechs Module:
- Mobilität, 2) Kognitive und kommunikative Fähigkeiten, 3) Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, 4) Selbstversorgung, 5) Bewältigung von krankheits-/therapiebedingten Anforderungen, 6) Alltagsgestaltung und soziale Kontakte.
Bei Koma/DoC ist Modul 5 besonders gewichtig (z. B. Beatmung, Absaugung, Sondenpflege, Medikamentengaben, Lagerungspläne, Risiko-Monitoring). Nächtlicher Bedarf (Absaugungen, Umlagerungen, Alarmmanagement, Schmerz-/Spastikspitzen) muss konkret dokumentiert werden: Uhrzeit, Maßnahme, Dauer, Ergebnis.
Leistungsarten: Pflegegeld (für Angehörigenpflege), Pflegesachleistung (ambulanter Dienst), Kombinationsleistung, Tages-/Nachtpflege, Kurzzeit- und Verhinderungspflege, Entlastungsbetrag (monatlich). Zusätzlich: Pflegehilfsmittel zum Verbrauch (z. B. Handschuhe, Desinfektionsmittel) und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen (z. B. Türverbreiterungen). Zahlen ändern sich; erfragen Sie die aktuellen Höchstbeträge bei der Pflegekasse und nutzen Sie Übertragungs-/Kombinationsregeln, wo möglich.
Außerklinische Intensivpflege (AKI) – Zuständigkeit GKV
AKI ist eine Leistung der Krankenversicherung für Menschen mit besonders hohem Bedarf an Atemwegs-/Beatmungsmanagement oder vergleichbarer lebensbedrohlicher Instabilität (z. B. Tracheostoma, komplexes Sekretmanagement, invasive/NIV-Beatmung). Sie wird ärztlich verordnet und regelmäßig reevaluiert. Leistungsorte können das eigene Zuhause, Intensivpflege-Wohngemeinschaften, Pflegeeinrichtungen oder – befristet – Kurzzeitpflege sein.
Wesentliche Elemente sind: qualifiziertes Fachpflege-Personal, definierte Präsenzzeiten (bis hin zu 24-Stunden-Präsenz), strukturierte Notfallkonzepte, Gerätesicherheit (Wartung, Ersatzgeräte, Akkus), standardisierte Dokumentation und interprofessionelle Koordination (Hausärztin/Hausarzt, Pneumologie, Neurologie, Therapien, Homecare-Versorger).
Schnittstelle SGB V/SGB XI: AKI deckt Behandlungspflege ab (Atemwege, Medikation, Monitoring). Grundpflege/Alltagsunterstützung kann über Pflegeleistungen ergänzt werden. Klären Sie Zuzahlungen und Befreiungsmöglichkeiten (Chronikerregelungen). Prüfen Sie bei wohnumfeldbedingten Umbauten Pflegekasse und ggf. Sozialhilfeträger; halten Sie Kostenvoranschläge und Fotos bereit.
Kurzzeit-/Verhinderungspflege, Entlastungsbetrag
Kurzzeitpflege ermöglicht befristete stationäre Entlastung, z. B. nach Klinikaufenthalt oder bei Krisen. Für Menschen mit Tracheostoma/Begleitbeatmung sind spezialisierte Plätze nötig – fragen Sie frühzeitig an. Verhinderungspflege überbrückt Auszeiten der Bezugspflegepersonen (Urlaub, Krankheit). Beide Leistungen lassen sich kombinieren bzw. untereinander umwidmen, soweit die aktuelle Gesetzeslage dies zulässt.
Der Entlastungsbetrag (monatlich) unterstützt niedrigschwellige Angebote wie Alltagsbegleitung, Gruppenangebote, haushaltsnahe Dienste (bei zugelassenen Anbietern). Denken Sie an Tages-/Nachtpflege, Angebote zur Unterstützung im Alltag (AzUA) und an die Familienpflegezeit bzw. Pflegezeit als arbeitsrechtliche Optionen. Für den Übergang zwischen Klinik und Häuslichkeit können – je nach Situation – häusliche Krankenpflege, Übergangspflege, Hilfsmittel-Erstversorgung und Reha-Anträge kombiniert werden.
Begutachtung & Dokumentation
Gute Dokumentation ist das Rückgrat der Leistungsgewährung. Sie zeigt Bedarf, Risiko und Wirksamkeit der Maßnahmen. Halten Sie fest, wer was wann und wie tut – inklusive Resultat (z. B. „Sekret gelöst, SpO₂ stabil“). Nutzen Sie standardisierte Skalen (GCS, CRS-R), Pflegediagnosen (z. B. NANDA-I), Scores (Braden, Norton) und pflegefachliche Ziele. Bei jedem Antrag/ jeder Verlängerung fügen Sie aktuelle Nachweise bei: Arztberichte, Therapieberichte, Fotodokumentation (z. B. Dekubitusverlauf), Hilfsmittelprotokolle, Notfallstatistik.
24-Stunden-Bedarf belegen
Erstellen Sie ein Bedarfstagebuch über mindestens 14 Tage: Uhrzeit, Anlass, Maßnahme, Dauer, Ergebnis. Beispiel: „02:15 Uhr, Absaugen oral/tracheal 2×, 6 Min., Atemgeräusche reduziert, SpO₂ 95 %→98 %“. Listen Sie nächtliche Ereignisse separat (Umlagerungen, Alarmprüfungen, Medikamentengaben, Kanülenpflege). Ergänzen Sie Zeitprofile (z. B. jede Stunde eine Messung bei instabilen Phasen) und Wochenmuster (Therapietage vs. Ruhetage). Legen Sie Lagerungsplan, Sondenpläne, Inhalationsschema, Notfallplan bei. Eine Kurzzusammenfassung mit Durchschnittswerten (z. B. „durchschnittlich 9 Umlagerungen/24 h“) erhöht die Nachvollziehbarkeit.
Komplikationen/Notfälle dokumentieren
Erfassen Sie Atemwegsereignisse (Sekretplugs, Desaturationen, Dislokationen), Infekte (Fieber, CRP/Leukozyten nach Arztkontakt), Hautprobleme (Rötungen, Dekubitusstadien), Krampfereignisse, Sturzereignisse, Sondenkomplikationen (Leckage, Verstopfung), Wundverläufe, Schmerz-/Spastikepisoden. Notieren Sie auslösende Faktoren, Maßnahmen und Ergebnis. Nach jedem Notfall aktualisieren Sie den Notfallplan (Teamrollen, Material, Eskalationskaskade) und schulen das Team. Regelmäßige Team-Debriefs (kurz, lösungsorientiert) stärken Sicherheit.
Hilfsmittel-/Pflegeberichte sammeln
Führen Sie einen Leistungsordner (digital/analog): Verordnungen (mit Gültigkeit), Kostenvoranschläge, Bewilligungen/Ablehnungen, Liefer-/Einweisungsprotokolle, Wartungsnachweise, Gerätelisten mit Seriennummern und Akkupflege, Rezepturen/Ernährungspläne, Protokolle zur Kanülenpflege und Absaugfrequenzen, Schulungsnachweise (Beatmung/Tracheostoma, Notfalltraining). Dokumentieren Sie Kontaktwege (Case Management, Pflegedienstleitung, Homecare-Hotline) und halten Sie Vertretungsregelungen für Urlaube/Krankheiten schriftlich fest.
FAQ – Koma & Pflege
Kurze Antworten geben Ihnen schnelle Orientierung. Für individuelle Entscheidungen sprechen Sie mit Ärztinnen/Ärzten und Ihrer Pflegekasse. Bei akuten Verschlechterungen: 112.
Wie oft soll gelagert werden?
Richten Sie sich nach Risiko und Toleranz: meist alle 2–4 Stunden, ergänzt durch Mikrolagerungen. Jede Lagerung dokumentieren und Hautstellen prüfen.
Ist Dauerstimulation sinnvoll?
Nein. Besser kurze, gezielte Reize mit Pausen. Führen Sie ein Stimulationsprotokoll und evaluieren Sie Reaktionen wöchentlich.
Woran erkenne ich Schmerzen?
Achten Sie auf Mimikanzeichen, vegetative Reaktionen (Schweiß, Puls), Tonusänderungen, Unruhe, Grimassieren. Nutzen Sie Beobachtungsskalen und ärztliche Rücksprache.
Was ist wichtiger: Pflegebett oder Matratze?
Beides. Das Pflegebett erleichtert Pflegehandlungen; die Matratze beugt Druckschäden vor. Wählen Sie Systeme passend zum Risiko.
Wie dokumentiere ich nächtlichen Bedarf?
Mit Zeitstempel, Maßnahme, Dauer, Ergebnis. Beispiel: „03:40, Absaugen 1×, 4 Min., Atmung leiser, SpO₂ stabil“.
Welche Rolle haben Angehörige in der Stimulation?
Angehörige sind wertvoll: vertraute Stimmen, Gerüche, Musik. Halten Sie Regeln ein (Hygiene, Reizdosierung) und stimmen Sie sich mit dem Team ab.
Ist eine PEG immer nötig?
Nicht immer. Entscheidung erfolgt ärztlich nach Ernährungsstatus, Aspirationsrisiko und Verlauf. Bei dauerhaften Bedürfnissen ist PEG oft sinnvoller als Nasensonde.
Wie sichere ich das Tracheostoma im Alltag?
Tägliche Inspektion, sichere Fixierung, Cuff-Druck prüfen, Feuchte/Befeuchtung, Notfallset bereithalten. Neue Symptome sofort ärztlich abklären.
Wer bezahlt die außerklinische Intensivpflege?
Grundsätzlich die GKV (SGB V) bei vorliegendem AKI-Bedarf nach ärztlicher Verordnung und Prüfung der Voraussetzungen. Grundpflege kann über die Pflegekasse ergänzt werden.
Darf ich Pflegegeld und ambulante Dienste kombinieren?
Ja, als Kombinationsleistung. Die Höhe des Pflegegeldes reduziert sich entsprechend des Sachleistungsanteils. Pflegekasse berät zu den aktuellen Modalitäten.
Was ist, wenn die Pflegeperson ausfällt?
Nutzen Sie Verhinderungspflege, ggf. kombiniert mit Kurzzeitpflege. Frühzeitig Plätze suchen, besonders bei Tracheostoma/Beatmung.
Welche Schulungen sind Pflicht?
Bei Tracheostoma/Beatmung: Notfallmanagement, Absaugtechnik, Gerätekunde, Hygiene, Cuff-Management. Nachweise dokumentieren und regelmäßig auffrischen.
Wie gehe ich mit Spastik um?
Regelmäßige Lagerung, Dehnungen (Physio), Wärme (wenn verträglich), Hilfsmittel (Schienen). Ärztlich: Spasmolytika/Botulinum je nach Fall.
Kann ich Hilfsmittel vorab testen?
Oft ja, über Sanitätshäuser/Homecare. Vereinbaren Sie Erprobungen, dokumentieren Sie Nutzen, erstellen Sie Fotos/Begründungen für den Antrag.
Was spricht für eine Intensiv-WG?
Rund-um-Präsenz, Fachpflege, geteilte Infrastruktur. Prüfen Sie Qualität, Personalquoten, Notfallprozesse, Visitenstruktur und Transparenz der Leistung.
Gibt es Zuzahlungsbefreiungen?
Ja, je nach Belastungsgrenze und Chronikerstatus. Reichen Sie Nachweise ein und prüfen Sie jährliche Befreiungen.
Wie plane ich Stromausfälle?
Erstellen Sie einen USV-/Akkupuffer-Plan für kritische Geräte, halten Sie Ersatzakkus vor, definieren Sie Prioritäten (z. B. Beatmung, Absaugung), üben Sie das Vorgehen.
Was tun bei wiederholten Ablehnungen von Hilfsmitteln?
Widerspruch fristgerecht, ärztliche Begründung, Foto-/Videodokumentation, Erprobungsprotokolle beilegen. Beratungsstellen nutzen.
Wie binde ich Therapien ein?
Mit klaren Zielvereinbarungen (SMART), regelmäßigen Intervallen und Protokollen. Reize aus Therapie und Pflege abstimmen (nicht überfrachten).
Ist ein Sturzschutz am Bett zulässig?
Nur verhältnismäßig und rechtlich sauber (Einwilligung/Vormundschaft/Gericht). Alternativen: Bettabsenkung, Matten, Beobachtung.
Fazit
Die Versorgung von Menschen im Koma oder mit anderen schweren Bewusstseinsstörungen gelingt am besten, wenn Pflege, Medizin, Therapien und Angehörige von Beginn an interprofessionell planen. Struktur – durch Lagerungsschemata, Stimulations- und Notfallpläne sowie verlässliche Dokumentation – verhindert Komplikationen und macht Fortschritte sichtbar. Finanzielle Stabilität entsteht, wenn Pflegegrad-Leistungen systematisch ausgeschöpft, Hilfsmittel passgenau beantragt und – bei entsprechender Indikation – außerklinische Intensivpflege sauber verordnet, koordiniert und regelmäßig evaluiert wird. Denken Sie in Lebensphasen (akut, Übergang, Langzeit), kombinieren Sie SGB V/SGB XI-Leistungen sinnvoll und nutzen Sie Entlastungsangebote, um pflegende Angehörige zu schützen und langfristig tragfähig zu halten. Halten Sie die Notfallnummer präsent: Bei akuten Verschlechterungen 112 – und im Alltag gilt: dokumentieren, evaluieren, anpassen.


