Außerklinische Intensivpflege (AKI) bezeichnet eine hochspezialisierte Versorgungsform für Menschen mit dauerhaft oder vorübergehend vital bedrohten Funktionen, die außerhalb des Krankenhauses leben. Dazu gehören Patientinnen und Patienten mit invasiver oder nichtinvasiver Beatmung, Tracheostoma, hohem Überwachungsbedarf und häufig komplexen Therapien. Ziel ist, die Atmung und andere lebenswichtige Parameter zuverlässig zu sichern, Komplikationen zu vermeiden, vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und – wo möglich – eine Entwöhnung von der Beatmung (Weaning) zu fördern. l gewährleistet.
Die AKI ist in Deutschland als eigenständige Leistung der Krankenversicherung geregelt. Grundlage sind insbesondere § 37c Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und die AKI-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA: höchstes Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung).
Was ist Außerklinische Intensivpflege (AKI)?
Die AKI richtet sich an Menschen mit einem anhaltenden Bedarf an engmaschiger medizinischer Überwachung und qualifizierter Pflege außerhalb des Krankenhauses. Sie umfasst die fachgerechte Beobachtung lebenswichtiger Funktionen, Notfallmanagement, Unterstützung bei Therapie- und Diagnostikmaßnahmen sowie das Handling komplexer Medizinprodukte. Anders als die allgemeine häusliche Krankenpflege oder die Pflegeversicherung deckt die AKI einen intensivpflegerischen Bedarf ab, der besondere Personalqualifikation, strukturierte Prozesse und technische Ausstattung erfordert. Sie kann in der eigenen Wohnung, in Intensivpflege-Wohngemeinschaften oder in Pflegeeinrichtungen erbracht werden – immer mit dem Ziel, Sicherheit zu gewährleisten und die Selbstbestimmung zu stärken.
Indikationen: invasive/nichtinvasive Beatmung, Tracheostoma, Monitoringpflicht
Typische Indikationen sind ein hoher Atemversorgungsbedarf und die Notwendigkeit, rasch auf Komplikationen reagieren zu können. Dazu zählen:
- Invasive Beatmung über Trachealkanüle nach Langzeitbeatmung oder bei irreversiblen Ateminsuffizienzen. Erforderlich sind Kanülenmanagement, Sekretmanagement, Cuff-Kontrollen, Atemwegsbefeuchtung und regelmäßige Beatmungsanpassungen nach ärztlicher Anordnung.
- Nichtinvasive Beatmung (NIV) über Maske bei chronischer Hypoventilation (z. B. bei neuromuskulären Erkrankungen). Auch hier besteht ein erhöhter Überwachungs- und Notfallbedarf, insbesondere bei nächtlicher Beatmung, Maskenleckagen, CO₂-Anstieg oder Exazerbationen.
- Tracheostoma ohne Beatmung, wenn relevante Risiken bestehen (z. B. Aspirationsgefahr, rezidivierendes Sekret verlegt den Atemweg, instabiler Zustand).
- Monitoringpflicht bei Menschen mit wiederkehrenden vitalen Entgleisungen, Krampfereignissen, instabilen Herz-/Kreislaufparametern, hochrisikoreichen Therapien (z. B. Opioid- oder Sedativtherapie) oder bei ausgeprägten Schluckstörungen.
Wesentlich ist die medizinische Begründung: Nicht die Diagnose allein entscheidet, sondern ob eine lückenarme, fachkundige Überwachung und das Management akuter Situationen außerhalb des Krankenhauses erforderlich und verhältnismäßig sind.
Leistungsumfang: Überwachung, Notfallmanagement, Therapieassistenz
Die AKI umfasst mehr als Grundpflege. Kernelemente sind:
- Kontinuierliche oder intermittierende Überwachung von Atmung, Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz, Blutdruck und – falls verordnet – Kapnometrie.
- Atemwegsmanagement: Absaugen, Befeuchten, Kanülenwechsel nach ärztlicher Anordnung, Tubuspflege, Maskenmanagement, Erkennen und Beheben von Leckagen.
- Notfallmanagement: strukturiertes Vorgehen bei Atemwegsverlegung, Dekanülierung, Beatmungsstörungen, Hypoxie, Krampfanfällen oder Kreislaufproblemen; sichere Reanimationsbereitschaft.
- Therapieassistenz: Durchführung ärztlich verordneter Maßnahmen (z. B. Inhalationen, Atemtherapieunterstützung, Medikamentengabe einschließlich über Sonden), Anleitung und Unterstützung bei der Nutzung von Hilfsmitteln, Dokumentation und Kommunikation mit dem Behandlungsteam.
- Komplikationsprävention: Dekubitusprophylaxe, Pneumonieprophylaxe, Mobilisations- und Lagerungskonzepte, Ernährungssicherung inkl. PEG/PEJ-Handling.
- Rehabilitation und Förderung von Selbstständigkeit: Einbindung in Therapien, Förderung von Weaning-Schritten, Schulung von Angehörigen.
Der Leistungsinhalt ergibt sich aus der ärztlichen Verordnung, der AKI-Richtlinie und einem individuellen Versorgungsplan, der mit allen Beteiligten abgestimmt wird.
Versorgungsorte: eigene Häuslichkeit, Intensivpflege-WG, Pflegeeinrichtung
Die AKI kann an verschiedenen Orten erfolgen:
- Eigene Häuslichkeit: maximale Selbstbestimmung; die Wohnung wird technisch und organisatorisch angepasst. Anforderungen an Stromversorgung, Platz, Hygiene und Brandschutz sind zu berücksichtigen.
- Intensivpflege-Wohngemeinschaft (WG): gemeinschaftliches Wohnen mehrerer AKI-Betroffener mit 24/7-Präsenz qualifizierter Pflege. Vorteile sind strukturierte Abläufe, Redundanzen in Technik und Personal sowie soziale Einbindung.
- Pflegeeinrichtung mit AKI-Zulassung: geeignet bei hohem Pflegebedarf zusätzlich zur intensiven Überwachung oder wenn häusliche/ambulante Strukturen nicht ausreichen.
Die Wahl des Versorgungsortes richtet sich nach medizinischer Eignung, Wünschen der Versicherten, räumlichen Gegebenheiten und Wirtschaftlichkeit. Ein Wechsel des Settings ist möglich, wenn sich Ziele, Risiken oder Lebensumstände ändern.
Voraussetzungen & Verordnung
Die AKI ist eine Leistung der Krankenversicherung mit spezifischen Anspruchsvoraussetzungen. Die Indikation wird medizinisch begründet und ärztlich verordnet. Die Krankenkasse prüft den Antrag regelmäßig unter Einbezug des Medizinischen Dienstes (MD). Zentral ist, dass die AKI erforderlich, geeignet und wirtschaftlich ist und dass die Versorgung in einem zugelassenen Setting mit qualifiziertem Personal erfolgt. Die Ziele – etwa Stabilisierung, Komplikationsvermeidung oder Weaning – werden konkret benannt und regelmäßig überprüft.
Ärztliche Verordnung mit Begründung und Zielsetzung
Die Verordnung erfolgt durch eine geeignete Ärztin oder einen geeigneten Arzt (z. B. Intensivmedizin, Pneumologie, Neurologie, HNO, Rehabilitationsmedizin, je nach Fall). Sie enthält:
- Diagnose(n) und pathophysiologische Begründung, warum AKI erforderlich ist.
- Leistungsziele: z. B. Sicherstellung der Atmung, Reduktion von Hypoxie-Ereignissen, Vorbereitung auf Weaning, Vermeidung von Krankenhauseinweisungen.
- Leistungsumfang und -dauer: benötigte Überwachungszeiten, Anwesenheitszeiten des Pflegepersonals (z. B. 24/7-Präsenz oder stundenweise), Notwendigkeit bestimmter Maßnahmen.
- Verordnete Hilfsmittel nach § 33 SGB V (Beatmungsgerät, Absaugung, Monitoring), einschließlich Verbrauchsmaterialien.
- Versorgungsort und kurz begründete Eignung.
- Einbindung von Haus- und Fachärzten sowie Therapie- und Hilfsmittelversorgern.
- Plan zur Reevaluation: Zeitpunkte und Kriterien, insbesondere zur Prüfung des Weaning-Potenzials oder der Dekanülierung.
Ein Versorgungsplan ergänzt die Verordnung: Er beschreibt Zuständigkeiten, Kommunikationswege, Notfall- und Vertretungsregeln sowie die Dokumentationsstruktur.
Prüfung durch den Medizinischen Dienst (MD) und medizinische Indikation
Die Krankenkasse kann den Medizinischen Dienst (MD) einschalten, um die medizinische Erforderlichkeit zu prüfen. Dabei werden u. a.:
- Klinische Stabilität und Risiken beurteilt (z. B. Hypoventilationsrisiko, Sekretstau, Aspirationsgefahr).
- Setting und Personalstruktur bewertet: Erfüllt der Anbieter die Qualifikations- und Strukturvorgaben?
- Wirtschaftlichkeit abgewogen: Gibt es eine gleich wirksame, weniger aufwendige Alternative?
- Hilfsmittelversorgung geprüft: Sind die verordneten Geräte erforderlich und zweckmäßig?
- Ziele und Evaluationspunkte plausibilisiert.
Die Entscheidung der Kasse ergeht als Bewilligung oder Ablehnung. Bei Ablehnung sollten Sie die Begründung prüfen, ärztlich ergänzen lassen und ggf. Widerspruch einlegen. Während laufender Versorgung können Folgeverordnungen und erneute MD-Begutachtungen erforderlich sein.
Reevaluation: Weaning-Potenzial und Zielüberprüfung
Die AKI ist dynamisch: In festgelegten Intervallen wird geprüft, ob Ziele erreicht wurden und ob die Indikation fortbesteht. Elemente sind:
- Weaning-Screenings: Prüfung, ob Beatmung reduziert, Intervalle verlängert oder eine Dekanülierung angestrebt werden kann.
- Tracheostoma-Management: Bewertung von Kanülenart, Cuff-Management, Sprechventil-Einsatz, Aspirationsrisiko.
- Parameter-Review: Auswertung von Monitoringdaten, Blutgasanalysen, Exazerbationen, Notfalleinsätzen.
- Therapieanpassung: Anpassung von Beatmungssettings, Medikation, Sekretmanagement oder Lagerungskonzepten.
- Zielgespräche mit Betroffenen und Angehörigen: Prioritäten, Lebensqualität, Einbindung Palliativversorgung bei Bedarf.
Diese Reevaluation ist verpflichtend und dient der Sicherstellung angemessener, zweckmäßiger und wirtschaftlicher Versorgung.
Team, Technik & Sicherheit
AKI erfordert ein hochqualifiziertes Team, abgestimmte Prozesse und redundante Technik. Sicherheit entsteht aus dem Zusammenspiel von Personalqualifikation, verlässlicher Infrastruktur, klaren Notfallprotokollen und konsequenter Dokumentation. Angehörige werden einbezogen und – auf Wunsch – geschult, ohne dass die professionelle Verantwortung delegiert wird.
Qualifikation des Pflegepersonals nach G-BA
Das Pflegepersonal erfüllt die in der AKI-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) festgelegten Anforderungen. Wesentliche Punkte:
- Berufliche Qualifikation: Examinierte Pflegefachpersonen (z. B. Gesundheits- und Krankenpflege, Kinderkrankenpflege) mit nachgewiesener intensivpflegerischer Zusatzqualifikation und regelmäßigen Fortbildungen.
- Kompetenzprofile: Atemwegs- und Beatmungsmanagement, Notfallmanagement, Medikamentensicherheit, Umgang mit Monitoring und Hilfsmitteln, Hygiene.
- Personalschlüssel und Präsenzzeiten richten sich nach Indikation und vereinbartem Leistungsumfang.
- Supervision und fachärztliche Anbindung: Regelmäßige Fallbesprechungen, erreichbare ärztliche Ansprechpartnerinnen/Ansprechpartner, klare Eskalationswege.
- Schulung und Einarbeitung: Strukturierte Einarbeitung am Versorgungsort, Skills-Checks, Begleitung bei komplexen Maßnahmen.
Transparente Qualifikationsnachweise gehören in die Pflegedokumentation und sind bei Prüfungen vorzulegen.
Hilfsmittel & Geräte: Beatmung, Absaugung, Monitoring
Eine sichere AKI benötigt passgenaue Hilfsmittel nach § 33 SGB V:
- Beatmungsgeräte (invasiv/NIV) mit passenden Schläuchen, Masken oder Trachealkanülen, Befeuchtungssystemen, Filtern und Alarmsystemen.
- Absauggeräte mit ausreichender Leistung, sterilem/sauberem Zubehör und klaren Hygienestandards.
- Monitoring: Pulsoximeter, ggf. Kapnometer, Blutdruckmessung, ggf. EKG-Monitoring nach Verordnung; Alarmgrenzen sind patientenindividuell eingestellt.
- Sauerstoffversorgung wenn verordnet (Konzentrator/Flaschen), inklusive Brandschutzkonzept.
- Redundanz: Zweitgeräte oder Notfall-Setups, Akkukapazitäten, Netzersatzkonzept (z. B. USV), Ersatzkanülen/Masken in passenden Größen.
- Verbrauchsmaterialien: Kanülen, Sprechventile, Fixierbänder, Sekretbeutel, Filter, Desinfektionsmittel, Handschuhe.
Eine gerätespezifische Einweisung ist verpflichtend. Prüfintervalle, Wartungen und Funktionskontrollen werden dokumentiert. Änderungen an Einstellungen erfolgen ausschließlich nach ärztlicher Anordnung und werden schriftlich festgehalten.
Notfallkonzept, Schulung der Angehörigen, Dokumentation
Sicherheit entsteht durch Vorbereitung:
- Notfallkonzept: schriftlich hinterlegt, leicht zugänglich, mit klaren Schritten bei Hypoxie, Dekanülierung, Beatmungsstörung, Krampfanfall, Kreislaufstillstand. Enthält Meldeketten (z. B. Notruf, ärztlicher Bereitschaftsdienst), Adressen, spezielle Hinweise (z. B. schwieriger Atemweg).
- Schulung der Angehörigen: auf Wunsch individuell, z. B. in Absaugtechnik, Lagerung, Frühwarnzeichen, Handhabung von Sprechventilen, Hygiene. Angehörige ersetzen kein Fachpersonal, können aber zur Stabilität beitragen.
- Dokumentation: lückenarm, strukturiert, mit Vitalwerten, Alarmevents, Maßnahmen, Medikation, Gerätechecks, Wund- und Kanülendokumentation. Sie ist Grundlage für Übergaben, Reevaluationen und Abrechnungen.
- Hygiene- und Medikamentensicherheit: validierte Reinigungs- und Desinfektionspläne, Temperatur- und Verfalldatenkontrolle, Doppelkontrollprozesse bei Hochrisikomedikationen.
Datenschutz: Zugriffskonzepte, Rollenrechte, Einwilligungen und sichere Kommunikation (verschlüsselt, wo möglich).
Kosten, Preisbildung & Finanzierung
Die Finanzierung der AKI erfolgt primär über die Krankenversicherung. Rechtsgrundlage ist § 37c SGB V für gesetzlich Versicherte; bei privat Versicherten gelten die individuellen Vertragsbedingungen in Anlehnung an den medizinischen Standard. Die Pflegeversicherung (SGB XI) ergänzt mit Leistungen der Pflege – sie ersetzt jedoch nicht die medizinisch notwendige AKI. Vergütungen werden zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern vertraglich vereinbart; regionale Unterschiede sind möglich. Versicherte tragen Zuzahlungen nach SGB V, soweit gesetzlich vorgesehen; Belastungsgrenzen und Befreiungen sind zu beachten.
Leistungsträger: GKV/PKV nach § 37c SGB V, Abgrenzung zu SGB XI
- SGB V (Krankenversicherung): trägt die medizinisch notwendigen intensivpflegerischen Leistungen, einschließlich Überwachung, Notfallbereitschaft und Therapieassistenz, sowie notwendige Hilfsmittel nach § 33 SGB V (z. B. Beatmungsgerät, Absaugung, Monitoring).
- SGB XI (Pflegeversicherung): übernimmt Pflegeleistungen wie Pflegesachleistungen (§ 36), Pflegegeld (§ 37) und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen (§ 40) im Rahmen der Pflegegrade. Diese Leistungen sind ergänzend und decken Grundpflege, Entlastung und Alltagsunterstützung ab.
- Abgrenzung: Medizinisch notwendige intensivpflegerische Tätigkeiten (z. B. Absaugen, Beatmungsmanagement, Notfallintervention) sind Leistungen der GKV. Unterstützung bei Körperpflege, Ernährung, Mobilität und Hauswirtschaft fällt überwiegend unter SGB XI, sofern nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der intensivmedizinischen Maßnahme zwingend erforderlich.
Vergütung: vertraglich verhandelte Sätze (regionale Unterschiede)
Die Vergütungssätze für AKI werden zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen vertraglich vereinbart. Sie berücksichtigen:
- Personalqualifikation und Personalschlüssel,
- Anwesenheitsmodell (durchgehende Präsenz vs. bedarfsorientierte Zeiten),
- Versorgungsort (Häuslichkeit, WG, Einrichtung),
- Technikausstattung und Vorhaltekosten (z. B. Redundanzen, Rufbereitschaft),
- Qualitäts- und Dokumentationsanforderungen.
Daraus ergeben sich regionale Unterschiede. Pauschale Summen sind daher nicht seriös anzugeben. Für die Praxis wichtig: Der Bewilligungsbescheid der Kasse benennt Leistungsumfang und Abrechnungsmodalitäten. Änderungen der Indikation oder des Settings erfordern eine Leistungsanpassung und ggf. Neuverhandlungen/Folgeverordnungen.
Zuzahlungen nach SGB V (z. B. 10 % + 10 € je Verordnung, Befreiung § 62 SGB V)
Versicherte leisten im SGB V grundsätzlich Zuzahlungen, soweit gesetzlich vorgesehen (§ 61 SGB V). Für verordnete Leistungen im häuslichen Umfeld gilt typischerweise das Prinzip aus der häuslichen Krankenpflege: 10 % Eigenanteil an den Kosten der jeweiligen Verordnung sowie 10 € je Verordnung; Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind in der Regel zuzahlungsbefreit. Unabhängig davon schützt § 62 SGB V über die Belastungsgrenze vor Überforderung: Zuzahlungen sind auf einen einkommensabhängigen Jahresbetrag begrenzt; nach Erreichen kann eine Befreiung beantragt werden. Für Hilfsmittel gelten eigene Zuzahlungsregeln (meist 10 % des Abgabepreises, höchstens ein gesetzlich definierter Betrag pro Hilfsmittel), Ausnahmen möglich. Lassen Sie sich die Zuzahlungszeiträume (z. B. 28-Tage-Regel je Kalenderjahr bei bestimmten Leistungen) erklären und bewahren Sie Belege auf.
Ablauf: Von der Verordnung bis zur Versorgung
Eine strukturierte Vorgehensweise beschleunigt die Versorgung, verhindert Lücken und schafft Transparenz. Von der Indikationsstellung bis zum Start der AKI laufen medizinische, organisatorische und finanzielle Schritte parallel. Kommunikation zwischen Betroffenen, Angehörigen, Ärztinnen/Ärzten, Pflegeanbieter, Hilfsmittelversorger und Kasse ist der Schlüssel.
Unterlagen: Arztberichte, Verordnung, Versorgungsplan
Für die Antragstellung und Planung benötigen Sie typischerweise:
- Aktuelle Arztberichte mit Diagnosen, klinischem Verlauf, Beatmungs-/Tracheostoma-Status, Komplikationen, Medikamentenplan.
- AKI-Verordnung mit Zielsetzung, Leistungsumfang, Versorgungsort, Reevaluationsplan.
- Hilfsmittelverordnungen (Beatmung, Absaugung, Monitoring, Sauerstoff, Zubehör).
- Versorgungsplan des Anbieters: Personalstruktur, Notfallplan, Dokumentationskonzept, Schulungskonzept, Übergaberegime.
- Wohnumfeld-Check: Stromversorgung, Platz, Fluchtwege, Hygiene- und Brandschutzanforderungen, ggf. Umbauplan.
- Einverständniserklärungen für Datenaustausch, Notfallzugang, Ärztinnen/Ärzte, Therapien.
- Pflegegradnachweis (für ergänzende SGB-XI-Leistungen) und ggf. Vollmachten/Betreuerausweis.
Je vollständiger die Unterlagen, desto schneller gelingt Bewilligung und Start.
Anbieterwahl, Start der Versorgung, Übergangsmanagement
Die Wahl des Leistungserbringers ist frei, soweit dieser zugelassen ist und die Anforderungen erfüllt. Achten Sie auf:
- Qualifikation und Erfahrung mit Ihrem Krankheitsbild.
- Transparente Qualitätsnachweise (Hygiene, Fortbildungen, Notfalltrainings).
- Zuverlässige Personalplanung inkl. Vertretungen und Rufbereitschaft.
- Technik- und Materiallogistik mit Redundanzen.
- Kooperation mit Ärztinnen/Ärzten und Therapien vor Ort.
Beim Übergang aus dem Krankenhaus werden idealerweise gemeinsame Übergaben organisiert: Probeversorgungen, Geräte-Einweisungen, Testläufe, Checklisten, Kontaktlisten. Der Versorgungsbeginn erfolgt mit vollständiger Ausstattung, geschultem Personal und dokumentiertem Notfallplan. Innerhalb der ersten Wochen wird die Versorgung engmaschig evaluiert und bei Bedarf angepasst.
Kommunikation mit Kasse, MD, Haus-/Fachärzten
Klare Kommunikationswege sind Bestandteil jeder AKI:
- Mit der Krankenkasse: Antragsstellung, Nachforderungen, Bewilligungsbescheid, Folgeverordnungen, Zuzahlungsstatus, ggf. Widerspruch.
- Mit dem MD: Terminabsprachen, Bereitstellung von Unterlagen, Anwesenheit der Schlüsselpersonen beim Begutachtungstermin, Nachfragen strukturiert beantworten.
- Mit Haus-/Fachärztinnen und -ärzten: regelmäßige Visiten oder telemedizinische Kontakte, Übermittlung von Monitoringdaten, Anpassung der Therapie, Verordnung von Hilfsmitteln und Folgeverordnungen.
- Dokumentations- und Übergabeprozesse: standardisierte Formulare, tagesaktuelle Pflegedokumentation, Ereignisprotokolle, Medikationspläne, Alarmberichte.
Eine Person (z. B. Case Manager/in) koordiniert idealerweise die Akteure, damit Entscheidungen zügig und nachvollziehbar erfolgen.
Qualitätsanforderungen & Kontrolle
Qualität in der AKI ist verbindlich: Personal, Prozesse, Technik, Hygiene und Patientensicherheit unterliegen klaren Vorgaben. Neben internen Audits prüfen Krankenkassen und MD die Einhaltung. Ziel ist eine sichere, wirksame und wirtschaftliche Versorgung, die sich an aktuellen fachlichen Standards orientiert und fortlaufend verbessert.
Personalqualifikation, Hygienemanagement, Arzneimitteltherapiesicherheit
- Personalqualifikation: Nachweise über Basisausbildung, intensivpflegerische Zusatzqualifikation, jährliche Fortbildungen (u. a. Notfallmanagement, Beatmung, Trachealkanülen-Management, Arzneimitteltherapiesicherheit).
- Hygienemanagement: schriftliche Pläne zu Händehygiene, Flächendesinfektion, Aufbereitung von Medizinprodukten, Umgang mit infektiösen Materialien, Schulungen, Überwachung von Compliance (Beobachtungen/Audits).
- Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS): Doppelkontrollen bei Hochrisikomedikamenten, strukturierte Anordnungs- und Dokumentationsprozesse, Medikationsabgleich, Aufklärung über Nebenwirkungen, Lagerung und Temperaturkontrollen.
- Gerätesicherheit: Wartungspläne, STK/MTK-Nachweise (soweit anwendbar), Alarmkonzept, Funktionsprüfungen.
- Fehlermanagement: Meldewege für Beinahe-Fehler, Root-Cause-Analysen, Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen (CAPA).
Regelmäßige Reevaluation (Weaning/Tracheostoma-Management)
- Weaning-Programme: interdisziplinär geführt, mit definierten Kriterien für Beatmungsreduktions-Schritte, Dokumentation von Erfolgen/Hürden, rechtzeitige Einbindung spezialisierter Zentren.
- Tracheostoma-Reviews: regelmäßige Beurteilung von Kanülengröße, Cuff-Druck, Sprechventil-Nutzung, Aspirationsschutz; Ziel: Dekanülierung, wenn medizinisch vertretbar.
- Zielsteuerung: SMART-Ziele (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminiert) mit festgelegten Review-Terminen; Anpassung bei Zustandsänderungen.
- Outcome-Indikatoren: Notfallraten, Pneumonie-Häufigkeit, Krankenhauseinweisungen, Druckulzera, Patient:innenzufriedenheit.
Audit, MD-Prüfungen, Beschwerde- und Fehlerkultur
- Interne Audits: prüfen Prozesse, Dokumentation, Geräte, Schulungen; leiten Verbesserungen ab.
- Externe Prüfungen durch Kassen/MD: angekündigt oder kurzfristig; vollständige Unterlagen bereithalten, Verantwortlichkeiten klar benennen.
- Beschwerdemanagement: niedrigschwellige Meldemöglichkeiten, vertrauliche Bearbeitung, Fristen, Rückmeldung an Beschwerdeführende.
- Fehlerkultur: Lernorientierung statt Schuldzuweisung; Team-Debriefings nach kritischen Ereignissen; Trainings mit Simulationen.
Transparenz: Qualitätsberichte, Kennzahlen, Maßnahmenpläne.
FAQ – Außerklinische Intensivpflege (AKI)
Die folgenden Antworten sind bewusst kurz gehalten und verweisen auf die Kernelemente der AKI.
Wer hat Anspruch auf AKI?
Menschen mit medizinisch begründetem, anhaltendem intensivpflegerischem Bedarf außerhalb des Krankenhauses – z. B. mit invasiver oder nichtinvasiver Beatmung, Tracheostoma oder ausgeprägter Monitoringpflicht – haben grundsätzlich Anspruch nach § 37c SGB V, wenn die Versorgung erforderlich, geeignet und wirtschaftlich ist.
Worin unterscheidet sich AKI von häuslicher Krankenpflege?
AKI adressiert einen intensivpflegerischen Bedarf mit hohem Risiko und Spezialtechnik. Häusliche Krankenpflege deckt grundsätzlichere medizinische Pflege ab. Personalkompetenz, Überwachungstiefe und Notfallmanagement unterscheiden sich deutlich.
Übernimmt die Pflegeversicherung (SGB XI) die AKI?
Nein. Die AKI ist Leistung der Krankenversicherung (SGB V). Die Pflegeversicherung ergänzt mit Pflegeleistungen (z. B. Pflegesachleistungen, Pflegegeld), ersetzt aber keine intensivpflegerischen Maßnahmen.
Welche Zuzahlungen fallen an?
Grundsätzlich gelten die Zuzahlungsregeln des SGB V (z. B. 10 % Eigenanteil und 10 € je Verordnung, alters- und leistungsabhängige Ausnahmen). Die Belastungsgrenze nach § 62 SGB V schützt vor Überforderung; Befreiungen sind möglich.
Wer verordnet AKI?
In der Regel Fachärztinnen/Fachärzte mit entsprechender Expertise (z. B. Intensivmedizin, Pneumologie, Neurologie, HNO, Reha-Medizin) – in Abstimmung mit dem Krankenhaus oder der hausärztlichen Versorgung.
Muss der Medizinische Dienst (MD) immer prüfen?
Nicht zwingend, aber häufig. Die Krankenkasse kann den MD beauftragen, um Erforderlichkeit, Setting und Wirtschaftlichkeit zu bewerten. Bei Ablehnung ist ein Widerspruch möglich.
Was gehört zur technischen Ausstattung?
Bedarfsabhängig Beatmungsgerät, Absaugung, Monitoring (Pulsoxymetrie, ggf. Kapnometrie), Sauerstoffsystem, Verbrauchsmaterialien und Redundanzen (Zweitgerät, Akkus, Ersatzkanülen).
Können Angehörige mithelfen?
Ja, auf Wunsch und nach Einweisung/Schulung. Sie ersetzen jedoch kein qualifiziertes Fachpersonal und tragen nicht die Hauptverantwortung für intensivpflegerische Maßnahmen.
Ist AKI auch in WGs möglich?
Ja. Intensivpflege-Wohngemeinschaften bieten 24/7-Präsenz qualifizierter Pflege, technische Redundanz und soziale Einbindung. Geeignetheit und individuelle Präferenzen sind zu prüfen.
Wie oft wird das Weaning geprüft?
Regelmäßig nach dem Reevaluationsplan. Bei klinischen Veränderungen häufiger. Ziel ist, Beatmung schrittweise zu reduzieren oder eine Dekanülierung zu erreichen, wenn medizinisch möglich.
Was passiert bei Stromausfall?
Es gibt ein Notstrom- und Redundanzkonzept (Akkus, USV, Ersatzgeräte). Das Team übt das Vorgehen und dokumentiert Funktionsprüfungen. Angehörige kennen die wichtigsten Schritte.
Wer koordiniert die Beteiligten?
Oft eine Case-Management-Rolle beim Leistungserbringer oder in der Klinik. Sie koordiniert Ärztinnen/Ärzte, Kasse, MD, Hilfsmittelversorger und Therapien sowie Termine und Dokumente.
Wie wird Qualität kontrolliert?
Durch interne Audits, externe Prüfungen (Kasse/MD), verpflichtende Fortbildungen, Hygiene- und AMTS-Konzepte sowie dokumentierte Outcome-Indikatoren.
Können Kinder AKI erhalten?
Ja, auch pädiatrische Patientinnen/Patienten können AKI erhalten, vorausgesetzt die Indikation ist gegeben und das Team verfügt über kindspezifische Kompetenzen und Ausstattung.
Was, wenn sich der Zustand verbessert?
Dann wird die Indikation neu bewertet. Möglicherweise genügt ein weniger intensives Setting oder die AKI kann beendet werden. Ziele sind stets bedarfsgerecht anzupassen.
Wie finde ich einen geeigneten Anbieter?
Achten Sie auf Zulassung, Qualifikationen, Erfahrung, transparente Qualitätsnachweise, verlässliche Personalplanung, Technik-Redundanz und gute Zusammenarbeit mit Ihren Ärztinnen/Ärzten.
Muss ich Hilfsmittel selbst besorgen?
Nein. Verordnete Hilfsmittel nach § 33 SGB V werden über Vertragspartner bereitgestellt. Einweisungen, Wartungen und Dokumentation sind Teil der Versorgung.
Gibt es eine Wartezeit bis zum Start?
Das hängt von Bewilligung, Personal- und Technikverfügbarkeit sowie von notwendigen Wohnraumanpassungen ab. Vollständige Unterlagen beschleunigen den Start.
Was ist, wenn die Kasse ablehnt?
Sie können Widerspruch einlegen, medizinische Begründungen nachreichen und eine erneute Prüfung beantragen. Unterstützung durch die behandelnden Ärztinnen/Ärzte ist hilfreich.
Wie lange gilt eine Verordnung?
Verordnungen sind zeitlich befristet und werden in Folgeverordnungen fortgeführt, sofern die Indikation weiter besteht. Zeitpunkt und Umfang stehen im Bewilligungsbescheid.
Welche Rolle spielt der Hausarzt/die Hausärztin?
Er/Sie ist zentrale Ansprechperson für Kontrollen, Verordnungen, Koordination und die Einbindung weiterer Fachdisziplinen.
Gibt es besondere Hygieneanforderungen zu Hause?
Ja. Es gelten Hygienepläne mit klaren Reinigungs-, Desinfektions- und Aufbereitungsprozessen, Abfallentsorgung und Lagerungsregeln für Materialien.
Was ist eine Intensivpflege-WG?
Eine Wohngemeinschaft, die auf AKI ausgerichtet ist, mit 24/7-Pflegepräsenz, gemeinsamer Infrastruktur und individuellen Zimmern. Sie verbindet Professionalisierung und Privatheit.
Sind Telemonitoring oder Videosprechstunden möglich?
Ja, sofern datenschutzkonform und medizinisch sinnvoll. Sie ergänzen die Präsenzpflege, ersetzen sie aber nicht.
Was bedeutet AMTS?
Arzneimitteltherapiesicherheit: strukturierte Prozesse, um Medikationsfehler zu vermeiden – z. B. Doppelkontrollen, klare Anordnungen, regelmäßige Überprüfungen.
Kann ich das Setting später wechseln?
Ja. Ein Wechsel zwischen Häuslichkeit, WG oder Einrichtung ist möglich, wenn es medizinisch und organisatorisch sinnvoll ist und die Kasse zustimmt.
Fazit
Die Außerklinische Intensivpflege (AKI) ermöglicht Menschen mit hohem Überwachungs- und Therapiebedarf ein sicheres Leben außerhalb des Krankenhauses. Grundlage sind eine sorgfältige Indikationsstellung, eine präzise ärztliche Verordnung mit klaren Zielen und ein strukturierter Versorgungsplan. Qualität entsteht durch qualifiziertes Personal, zuverlässige Technik, verbindliche Hygiene- und Sicherheitskonzepte sowie konsequente Dokumentation. Ebenso wichtig ist die regelmäßige Reevaluation, insbesondere im Hinblick auf Weaning und Tracheostoma-Management, damit Versorgung stets dem aktuellen Bedarf entspricht und Chancen auf Entwöhnung genutzt werden. In der Finanzierung gilt: AKI ist Leistung der Krankenversicherung (SGB V) und wird durch


