Wenn Kinder oder Jugendliche intensivpflegerisch versorgt werden müssen, zählt mehr als reine Sicherheit: Es geht zugleich um Entwicklung, Teilhabe und Selbstbestimmung. Gute Kinderintensivpflege verbindet hochspezialisierte Medizin mit kindgerechtem Alltag – in der Familie, in Kita und Schule oder in anderen Lebensorten. Sie sorgt für stabile Atmung, zuverlässige Überwachung und schnelle Reaktionen im Notfall, aber ebenso für Spiel, Bildung und soziale Kontakte. Dieses Zusammenspiel erfordert klare Abläufe, geschulte Teams und eine fein abgestimmte Kommunikation zwischen Eltern, Pflegedienst, Pädiatrie und Therapeut*innen.
Ebenso wichtig ist die finanzielle Seite. Neben der außerklinischen Intensivpflege (AKI) nach § 37c SGB V spielen Hilfsmittel nach § 33 SGB V, ergänzende Leistungen der Pflegeversicherung nach SGB XI sowie – je nach Bedarf – Eingliederungshilfe eine Rolle. Minderjährige sind grundsätzlich von Zuzahlungen befreit (§ 61 SGB V); Ausnahmen, etwa bei Fahrkosten oder besonderen Behandlungsformen, sind zu beachten. Familien profitieren von Entlastungsangeboten wie Pflegekursen, Kurzzeit- oder Verhinderungspflege und psychosozialer Unterstützung. Dieser Ratgeber bündelt die wichtigsten Punkte: Indikationen, Versorgungsmodelle, Kosten und Rechte – und zeigt Wege, den Familienalltag verlässlich zu organisieren.
Indikationen & Versorgung
Die Kinder- und Jugendlichenintensivpflege umfasst hochspezialisierte Pflege in der eigenen Häuslichkeit oder einer familienähnlichen Wohnform. Typisch sind Beatmung, Tracheostoma, komplexe Monitoringpflicht oder ein erheblicher Bedarf an Krisenintervention. Ziel ist, Klinikaufenthalte zu vermeiden und Entwicklung zu fördern. Die Versorgung wird interdisziplinär geplant: Kinderärztinnen, spezialisierte Pflegedienste, Therapeutinnen, Sozialpädiatrische Zentren (SPZ), Frühförderung sowie Kita/Schule arbeiten zusammen. Ein strukturierter Übergang von PICU/NICU nach Hause, regelmäßige Reevaluationen und Elternschulungen sind leitend.
Beatmung/Tracheostoma, komplexe Monitoringpflicht
Beatmete Kinder – invasiv über Tracheostoma oder nichtinvasiv (NIV) – benötigen einen klaren Standard für Atemwegsmanagement. Dazu gehören die tägliche Funktionskontrolle der Beatmungsgeräte, Alarmeinstellung nach ärztlicher Anordnung, regelmäßige Dichtigkeits- und Leckageprüfung bei NIV-Masken sowie die Bewertung der Atemarbeit im Ruhe- und Belastungszustand. Für Tracheostomata sind Kanülenpflege, sichere Fixierung, Sekretmanagement (Absaugen nach Indikation, nicht nach festem Zeitplan), Feuchtigkeitsmanagement und die Beobachtung auf Granulationsgewebe zentral.
Zur komplexen Monitoringpflicht zählt die Überwachung von Sättigung, Herzfrequenz, Atemfrequenz, ggf. transkutanem CO₂ sowie der Beatmungswerte. Die Alarme müssen so eingestellt sein, dass sie frühzeitig warnen, ohne Daueralarm zu erzeugen – ein Balanceakt, der Erfahrung erfordert. Kinder verändern ihre Vitalparameter altersabhängig; Grenzbereiche sind daher individuell festzulegen. Der nächtliche Schlaf ist entwicklungsrelevant – Monitoringkonzepte sollten möglichst störungsarm sein, etwa mit gedämpfter Alarmweiterleitung und klaren Eskalationswegen.
Notfallbereitschaft ist Pflicht. Ein aktueller, schriftlicher Notfallplan liegt sichtbar vor und enthält u. a. Zeichen drohender Dekanülierung, Stomaverschluss, Beatmungs- oder Stromausfall, Krampfanfälle oder Anaphylaxie. Das Equipment wird täglich gecheckt: Ersatzkanüle(n) in passender Größe, Führungsstab, Lubrikant, Absaugkatheter, Beutel-Masken-Beatmung, Sauerstoff, gebrauchsfertige Filter/Schläuche, Ladezustand von Akkus. Regelmäßige Notfallübungen mit Eltern und Schulbegleitung erhöhen die Handlungssicherheit.
Therapiekoordination (SPZ, Frühförderung, Schule)
Kinder entwickeln sich nicht linear – in der Intensivpflege ist die Therapie so zu planen, dass Reizdosierung, Pausen und Motivation stimmen. Das SPZ übernimmt häufig die koordinierende Rolle zwischen Pädiatrie, Neuropädiatrie, Pulmologie, Kardiologie, Ernährungstherapie und Psychologie. Frühförderstellen verknüpfen heilpädagogische und therapeutische Angebote; sie kommen – wenn möglich – nach Hause oder stimmen sich mit Kita/Schule ab.
Ein interprofessioneller Förder- und Pflegeplan bündelt Ziele aus Medizin, Pflege, Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie, Heilpädagogik und ggf. Musik-/Kunsttherapie. Er ist SMART formuliert (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminiert) und wird mindestens halbjährlich überprüft. Für den Schulbesuch werden Transport, Barrierefreiheit, Beatmungs- und Absaugmöglichkeiten, Ruheräume sowie eine geschulte Schul-/Integrationshilfe organisiert. Unterricht findet – je nach Belastbarkeit – in Präsenz, als Teilhabe über digitale Angebote oder in Kombination statt.
Wichtig ist eine verlässliche Terminlogistik: Therapien sind so zu legen, dass sie nicht mit Medikamentengaben, Beatmungswechseln oder Ernährungszeiten kollidieren. Ein gemeinsam geführter Kalender mit Farbcode (medizinisch, Therapie, Bildung, Familie) schafft Übersicht. Telemedizinische Sprechstunden erleichtern Verlaufskontrollen, reduzieren Anfahrten und können Daten aus Monitoring oder Beatmungsgeräten einbeziehen.
Familienzentrierte Pflege und Schulungen
Eltern sind Expert*innen für ihr Kind. Familienzentrierte Pflege anerkennt diese Expertise und schafft Räume, in denen Eltern Entscheidungen mittragen und ihre eigenen Belastungsgrenzen wahren. Ein strukturiertes Schulungsprogramm (Theorie und Praxis) umfasst Beatmungstechnik, Tracheostomapflege, Absaugen, Kanülenwechsel, Sondenernährung, Medikamentengabe, Erkennen von Warnzeichen, Notfallmaßnahmen und Dokumentation. Inhalte werden modular aufgebaut, mit Checklisten, Lernzielen und praktischen Übungen an Dummy und am Kind unter Supervision.
Schulungen enden nicht mit der Entlassung. Refresher-Termine, Einarbeitung neuer Bezugspersonen (Großeltern, Babysitter, Schulbegleitung), eine erreichbare Fachhotline und standardisierte Notfallübungen sichern die Nachhaltigkeit. Besonders entlastend wirkt eine “Doppelkompetenz” im System: Mindestens zwei erwachsene Bezugspersonen pro Haushalt sollten in den Kernmaßnahmen sicher sein, damit Nacht- und Tagdienste nicht auf eine Person zulaufen.
Familienzentrierte Pflege respektiert kulturelle, sprachliche und religiöse Hintergründe. Dolmetschende Unterstützung, leicht verständliche Materialien und Visualisierungen (Piktogramme) helfen, komplexe Abläufe zu verinnerlichen. Gleichzeitig gehören Selbstfürsorge und psychosoziale Begleitung dazu: Schlaf, Paarbeziehung, Geschwister, Beruf – alles braucht Aufmerksamkeit und planbare Auszeiten.
Kosten & Finanzierung
Die Finanzierung der Kinderintensivpflege stützt sich auf mehrere Säulen. Kern ist die außerklinische Intensivpflege (AKI) nach § 37c SGB V und die Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V. Ergänzend unterstützen Leistungen der Pflegeversicherung nach SGB XI (§ 36, § 37, § 40) sowie – je nach Teilhabebedarf – die Eingliederungshilfe. Minderjährige sind grundsätzlich von Zuzahlungen befreit (§ 61 SGB V); dennoch gelten für bestimmte Leistungen, etwa Fahrkosten, besondere Regeln. Eine frühe Abstimmung mit Krankenkasse, Pflegekasse, Arztpraxis, Pflegedienst und ggf. Träger der Eingliederungshilfe verhindert Finanzierungslücken.
AKI nach § 37c SGB V, Hilfsmittel § 33
Die AKI nach § 37c SGB V deckt die spezialisierte Intensivpflege zu Hause oder in einer familiennahen Betreuungsform ab. Grundlage ist eine begründete ärztliche Verordnung mit klarer Indikationsstellung (z. B. Beatmung/Tracheostoma, ausgeprägte Monitoringpflicht, hoher Interventionsbedarf). Nach der Verordnung prüft die Krankenkasse die Leistungsvoraussetzungen; der Medizinische Dienst (MD) kann den Bedarf im häuslichen Umfeld begutachten. Die AKI-Richtlinie des G-BA konkretisiert Anforderungen, u. a. zu Qualifikation, Strukturmerkmalen, Dokumentation, Übergangsmanagement und regelmäßiger Reevaluation mit Blick auf Weaning-Potenziale und Reduktion der Intensivpflege, wo medizinisch vertretbar – mit pädiatrischen Besonderheiten.
Die Hilfsmittelversorgung (§ 33 SGB V) umfasst Beatmungsgeräte, Absauggeräte, Monitoring, Sauerstoffversorgung, Tracheostomamaterial, Hilfsmittel zur Sekretmobilisation, Inhalationsgeräte, Sonden-/Pumpensysteme, Lagerungshilfen und ggf. Kommunikationshilfen. Notwendig sind eine ärztliche Verordnung und eine Begründung, warum das Hilfsmittel im Einzelfall erforderlich, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Wichtig sind Serviceverträge: Lieferung, Einweisung, 24/7-Störungsdienst, Leihgeräte, Verbrauchsmaterialien und Wartung müssen klar geregelt sein. Für Kinder ist eine regelmäßige Anpassung vorgesehen – Wachstum, Entwicklungsfortschritte und Therapieziele ändern Anforderungen an Masken, Kanülengrößen, Sitzschalen oder Kommunikationshilfen.
Zuzahlungsregeln: Minderjährige i. d. R. befreit
Nach § 61 SGB V sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren grundsätzlich von Zuzahlungen befreit. Das gilt typischerweise für Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel. Es gibt jedoch Ausnahmen und Sonderregelungen. Für Fahrkosten greifen gesonderte Zuzahlungsregeln; hier kann auch bei Minderjährigen eine Zuzahlung anfallen (üblich: 10 % je Fahrt, mindestens 5 €, höchstens 10 €), sofern die Fahrt medizinisch verordnet und genehmigt ist. Bei bestimmten Behandlungen (z. B. kieferorthopädisch) gibt es Eigenbeteiligungen, die teils nach erfolgreichem Abschluss erstattet werden.
Wichtig: Auch wenn Minderjährige zumeist befreit sind, sollten Sie Bewilligungsbescheide prüfen. Bei chronischer Erkrankung kann eine langfristige Genehmigung für Hilfsmittel und Fahrten sinnvoll sein. Für Familien mit mehreren betroffenen Kindern lohnt zudem ein Überblick über Quoten und Befreiungen innerhalb des Haushalts. Pflegedienste und Sozialdienste in Kliniken unterstützen bei der korrekten Antragstellung und bei der Kommunikation mit der Krankenkasse.
Ergänzend: SGB XI-Leistungen, Eingliederungshilfe, Fahrkosten
Die Pflegeversicherung (SGB XI) ergänzt die medizinische Versorgung. Je nach Pflegegrad sind Sachleistungen (§ 36), Pflegegeld (§ 37) und Zuschüsse für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen (§ 40) möglich. Auch die Entlastungsleistungen (monatlicher Entlastungsbetrag) sowie Kurzzeit- und Verhinderungspflege dienen der Stabilisierung des Familienalltags. Die Kombinationsmöglichkeiten sollten sorgfältig geplant werden, damit keine Ansprüche verfallen und die Stundenkontingente sinnvoll aufgeteilt sind.
Die Eingliederungshilfe (in der Regel SGB IX) tritt hinzu, wenn es um Teilhabe an Bildung und sozialem Leben geht – etwa Schul-/Kitabegleitung, Assistenz im Freizeitbereich, Kommunikationshilfen oder Mobilität. Sie grenzt sich von der medizinisch-pflegerischen Leistung ab; Doppelstrukturen sind zu vermeiden. Ein Gesamtplanverfahren mit klaren Zielvereinbarungen hilft, Zuständigkeiten sauber aufzuteilen.
Fahrkosten nach SGB V sind bei medizinischer Notwendigkeit und Genehmigung erstattungsfähig. Für regelmäßige Fahrten (z. B. zur Dialyse, Onkologie, spezialisierter Therapie) gelten besondere Regeln; bei Kindern mit intensivpflegerischem Bedarf sollten Wegezeiten und Begleitperson realistisch kalkuliert werden. Für Schule und Kita liegt die Beförderung je nach Bundesland und Zuständigkeit bei Schulträgern oder der Eingliederungshilfe; die medizinisch-pflegerische Begleitung während der Fahrt muss gesondert organisiert werden.
Alltag & Entlastung
Intensivpflege im Kindesalter ist eine 24/7-Aufgabe – für Eltern, Geschwister und das professionelle Team. Ein guter Alltag ist planbar, vorhersehbar und flexibel genug, um auf Infekte, Therapiewechsel oder Entwicklungsschübe zu reagieren. Entscheidend sind klare Rollen, sichere Übergaben und echte Auszeiten für die Familie. Entlastungsangebote sind kein Luxus, sondern Voraussetzung, damit Pflege langfristig gelingt und Bindung, Bildung und Spielräume erhalten bleiben.
Pflegekurse, Psychosoziale Unterstützung
Pflegekurse vermitteln praktisch, was im Alltag zählt. Sie werden von Pflegediensten, Kliniken, SPZ oder Pflegekassen organisiert und auf die Situation des Kindes zugeschnitten. Inhalte reichen vom Gerätemanagement über Medikamentenpläne bis zu Hygiene, Ernährung und Dokumentation. Ein besonderer Fokus liegt auf Stress- und Fatigue-Prophylaxe, Schlafhygiene, Zeitmanagement und der Koordination mit Schule/Kita. Fortgeschrittene Module widmen sich Weaning-Schritten, Dekanülierungs-Roadmaps, Umgang mit Alarmflut (Alarm-Fatigue) und der Vorbereitung auf Krisen, z. B. bei Stromausfall.
Psychosoziale Unterstützung entlastet die ganze Familie. Kinderpsychologische Begleitung, sozialrechtliche Beratung, Familienhilfe und Seelsorge sind wichtige Bausteine. Geschwister profitieren von eigenen Angeboten: kindgerechte Informationen, feste Exklusivzeiten, Gruppenangebote und Ferienfreizeiten. Für Eltern sind Peer-Groups wertvoll – der Austausch mit anderen Familien, die ähnliche Wege gehen, stiftet Zuversicht und liefert erprobte Alltagskniffe.
Entscheidend ist die Erreichbarkeit: Wer unterstützt nachts bei Alarmen, wer springt bei Ausfall einer Pflegeperson ein? Eine Rufkette mit Pflegedienst, ärztlicher Praxis, ggf. Kinder-SAPV-Team und Familie schafft Sicherheit. Digitale Tools – dienstfreie Tage, Urlaubsplanung, Terminabstimmung – reduzieren Koordinationsstress.
Kurzzeit- und Verhinderungspflege (Entlastung auf Zeit)
Kurzzeitpflege gibt Familien planbare Verschnaufpausen, etwa nach Klinikaufenthalten oder in Phasen mit besonderer Belastung. Häuser mit pädiatrischer Expertise und Intensivpflege-Kompetenz sind zu bevorzugen, damit Beatmung, Tracheostoma, Monitoring und Medikation ohne Qualitätseinbußen fortgeführt werden. Eine frühzeitige Reservierung ist ratsam; Transferberichte, Medikamenten- und Hilfsmittellisten sowie Notfallpläne werden im Vorfeld abgestimmt. Ziel ist, dass das Kind die Zeit als positiv erlebt – mit Spiel, Therapie und Bildung.
Verhinderungspflege greift, wenn die reguläre Pflegeperson vorübergehend ausfällt (Krankheit, Termine, Erholung). In der Kinderintensivpflege ist oft eine Kombination mit Pflegesachleistungen sinnvoll. Wichtig ist die Einarbeitung des Vertretungsteams in die individuellen Besonderheiten des Kindes: Lagerungen, Trigger, Kommunikationswege, Lieblingsgegenstände. Für beide Leistungsarten sollten Familien eine Jahresplanung erstellen, um Budgets optimal auszuschöpfen und “Spitzen” (z. B. Ferien, Infektsaison) abzufedern.
Überbrückung nach Krankenhaus-Entlassung erfordert oft zusätzliche Stunden – hier lohnt ein enger Kontakt zur Kasse und der Hinweis auf Entlastungsnotwendigkeit, bis AKI-Strukturen stabil laufen. Bei Engpässen kann eine befristete Aufstockung oder eine Zwischenlösung in einer spezialisierten Einrichtung sinnvoll sein.
Kooperation Kitas/Schulen, Integrationshilfen
Teilhabe in Kita und Schule ist ein zentrales Entwicklungsziel. Voraussetzung ist eine tragfähige Kooperation: Leitung, pädagogisches Team, Schul-/Kitaträger, Schulbegleitung, Pflegedienst und Eltern legen Verantwortlichkeiten schriftlich fest. Der Pflegeanteil bleibt beim Pflegedienst; pädagogische Unterstützung übernimmt die Integrationshilfe. Ein gemeinsamer Notfallplan regelt Alarmkaskaden, Evakuierung, Stromausfall, Infektmanagement und Vertretungen.
Barrierefreiheit und Logistik werden praktisch geplant: Stromanschlüsse, sichere Kabelwege, hygienische Absaug- und Entsorgungsplätze, Rückzugsraum, Transportwege im Gebäude, Aufzugskapazitäten, Pausen- und Hofregeln, sichere Lagerung von Notfallmedikamenten. Für Ausflüge braucht es Checklisten (Equipment, Akkus, Wetter, Transport, Kommunikationswege), eine namentliche Zuständigkeit und eine Freigabe der Ärztin/des Arztes für besondere Aktivitäten.
Die Integrationshilfe (oft über Eingliederungshilfe) sichert pädagogische Teilhabe. Für medizinisch-pflegerische Handlungen braucht es zusätzlich qualifizierte Pflegefachkräfte. In Grenzbereichen – z. B. bei einfacheren, delegationsfähigen Verrichtungen – helfen klare Delegationsvereinbarungen und Schulungen, immer unter Beachtung des Kindeswohls und der rechtlichen Rahmenbedingungen. Ziel bleibt, dass das Kind Lern- und Spielräume möglichst eigenständig nutzen kann.
Qualität & Sicherheit
Qualität in der Kinderintensivpflege entsteht im Zusammenspiel aus Qualifikation, strukturierten Prozessen und einer Sicherheitskultur, die Fehler vermeidet und aus Beinahe-Ereignissen lernt. Standards allein reichen nicht; entscheidend ist, wie sie im Alltag gelebt werden. Dazu gehören fachliche Supervision, Doppelkontrollen bei Hochrisikoprozessen, verständliche Dokumentation und ein Klima, in dem Fragen willkommen sind. Sicherheit heißt hier auch: Entwicklung schützen – jede Maßnahme wird auf Nutzen, Belastung und Alternativen geprüft.
Qualifikation kinderr. Intensivpflege
Pädiatrische Intensivpflege ist kein “abgeleiteter” Erwachsenenstandard. Kinder brauchen Fachkräfte mit spezifischer Weiterbildung, Routine in Beatmung/Tracheostoma im Kindesalter, Erfahrung mit altersgerechter Kommunikation und Kenntnissen zu Entwicklungspsychologie und Familienorientierung. Die AKI-Richtlinie des G-BA beschreibt Qualifikationsanforderungen, Praxisanleitung und Fortbildungspflichten. Wünschenswert sind zudem PALS-/EPALS-Schulungen, Krisen- und Deeskalationstrainings, Schulungen zu Nicht-Sprechenden-Kommunikation und zur Versorgung von Kindern mit komplexen Behinderungen.
Einarbeitung folgt einem Curriculum mit definierten Lernzielen, Supervision und Abschluss-Assessment am Kind. Kompetenz wird nicht nur “Zeit-basiert”, sondern “fähigkeits-basiert” bescheinigt. Skill-Drills (z. B. Dekanülierungs-Management, Stromausfall-Protokoll, Krampfanfall) finden regelmäßig und unangekündigt statt. Eine Kultur der wechselseitigen Absicherung – Vier-Augen-Prinzip, Red-Flag-Checklisten – reduziert Risiken.
Hygiene, Notfallpläne, Medikation
Hygienestandards im häuslichen Umfeld sind pragmatisch und wirksam zu gestalten. Dazu gehören Händehygiene mit leicht zugänglichen Spendern, klar definierte “saubere” und “unreine” Zonen, regelmäßige Flächendesinfektion der Kontaktbereiche, sachgerechte Aufbereitung von wiederverwendbaren Teilen gemäß Herstellerangaben sowie korrekte Lagerung von Einmalartikeln. Infektzeiten erfordern angepasste Besuchsregeln und Maskenkonzepte, besonders bei Frühgeborenen oder Kindern mit kardio-pulmonaler Vulnerabilität.
Notfallpläne sind schriftlich, aktuell datiert, leicht auffindbar und trainiert. Sie enthalten Symptome, Sofortmaßnahmen, Ablaufdiagramme, zuständige Telefonnummern und Eskalationsstufen. Eine “Grab-and-Go-Mappe” liegt bereit für Rettungsdienst/Klinik – mit Medikationsplan, Diagnosen, letzten Arztbriefen, Allergien, Beatmungseinstellungen und Einverständniserklärungen. Akkumanagement (Geräte, Absaugung, Sauerstoffkonzentrator) wird täglich dokumentiert; Ersatzsteckdosen und Verlängerungen sind gegen Stolpern gesichert.
Medikationssicherheit beginnt mit einer konsolidierten Arzneimittelliste inklusive Indikation, Dosierung nach kg-KG, Applikationsweg und Zeiten. Hochrisikomedikamente (z. B. Antikonvulsiva, Opiate) werden mit Doppelkontrolle vorbereitet. Gewichtsänderungen führen zur Dosisprüfung. Flüssigkeitsbilanzen, Interaktionen mit Sondennahrung und Applikationsverträglichkeit (z. B. Galenik, Spülen) sind zu beachten. Eltern werden befähigt, Nebenwirkungen früh zu erkennen und Handlungswege zu nutzen.
Weaning-Reevaluation und Entwicklungsziele
Regelmäßige Reevaluationen prüfen, ob Intensivpflege reduziert, Beatmung entwohnt (Weaning) oder ein Dekanülierungsversuch verantwortbar ist. Bei Kindern heißt das: Entwicklungsschritte aktiv nutzen – verbesserte Muskelkraft, Gewichts- und Längenwachstum, Rehabilitationsfortschritte, optimierte Therapie. Ein interdisziplinäres Team (Pneumologie/Intensivmedizin, Logopädie/Schluckdiagnostik, Physiotherapie, Pflege) plant Testphasen mit engmaschigem Monitoring. Kriterien für Abbruch oder Fortführung sind vorab definiert.
Entwicklungsziele gehören in jeden Pflege- und Förderplan. Kleine Erfolge – längere Sprechventilzeiten, mehr Eigenmobilität, verbesserte Kommunikationssignale – werden sichtbar gemacht und positiv verstärkt. Auch palliative Verläufe sind entwicklungsorientiert: Lebensqualität, Symptomkontrolle, Familienziele und Rituale erhalten Vorrang. Reevaluationen finden mindestens halbjährlich statt, früher bei klinischen Veränderungen, und fließen in die ärztliche Verordnung und die Kassenkommunikation ein.
FAQ – Kinderintensivpflege
Eine kompakte Auswahl häufiger Fragen hilft, Entscheidungen sicher zu treffen. Die Antworten sind kurz und praxisnah gehalten und verweisen – wo sinnvoll – auf weiterführende Schritte in der Versorgung.
Wer verordnet Kinder-AKI und wie lange gilt die Verordnung?
Die behandelnde Kinderärztin bzw. der behandelnde Kinderarzt oder die Klinik stellt die AKI-Verordnung aus. Die Gültigkeit richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit und wird regelmäßig, in der Regel mindestens halbjährlich, überprüft und fortgeschrieben.
Muss mein Kind für Hilfsmittel Zuzahlungen leisten?
Minderjährige sind grundsätzlich zuzahlungsbefreit. Bei Hilfsmitteln entfällt die Zuzahlung in der Regel. Ausnahmen können bestehen; prüfen Sie den Bescheid Ihrer Krankenkasse und fragen Sie bei Unklarheit nach.
Gelten Zuzahlungen für Fahrkosten auch bei Kindern?
Für Fahrkosten gelten Sonderregeln. Auch bei Minderjährigen kann eine Zuzahlung anfallen (üblich 10 % je Fahrt, mind. 5 €, max. 10 €), sofern die Fahrt verordnet und genehmigt ist.
Wer koordiniert Therapien und Schule?
Meist übernimmt das SPZ die medizinisch-therapeutische Koordination. Für Schule/Kita stimmen sich Eltern, Leitung, Schul-/Integrationshilfe und Pflegedienst in einem gemeinsamen Plan mit Notfallregelungen ab.
Wie bereiten wir die Entlassung aus der Klinik vor?
Mit Entlassungsmanagement: Pflegedienstsuche, Hilfsmittel, Schulungen, Notfallplan, ärztliche Verordnung, Logistik (Transport, Strom, Platz), Terminplan und Ansprechpartner werden vorab festgelegt und getestet.
Darf die Schulbegleitung Absaugen oder Beatmung bedienen?
Medizinisch-pflegerische Tätigkeiten übernehmen qualifizierte Pflegefachpersonen. Delegationsfähige einfache Maßnahmen sind im Einzelfall schriftlich zu regeln und zu schulen. Sicherheit des Kindes hat Vorrang.
Was passiert bei Stromausfall?
Es gibt ein festes Protokoll: Akkustände prüfen, auf Notstrom/akkubetriebene Geräte wechseln, Alarme beobachten, Notrufkette aktivieren. Notfallbeutel und “Grab-and-Go-Mappe” liegen bereit.
Wie oft werden Weaning-Chancen geprüft?
Mindestens halbjährlich, bei klinischer Verbesserung häufiger. Das Team testet schrittweise unter Monitoring. Abbruch- und Erfolgskriterien werden vorab definiert.
Können wir Urlaub machen?
Ja, mit Planung: Unterkunft auf Barrieren prüfen, Stromversorgung, Transport, Kontakt zur nächstgelegenen Kinderklinik, Hilfsmittellieferung und Einbindung des Pflegedienstes sicherstellen.
Wie schützen wir Geschwister vor Überlastung?
Mit festen Exklusivzeiten, leicht verständlichen Informationen, Beteiligung auf Augenhöhe und eigenen Angeboten (Gruppen, Freizeiten). Entlastungsleistungen helfen, Zeitfenster zu schaffen.
Was gehört in den täglichen Gerätecheck?
Funktion Beatmungsgerät, Alarmeinstellungen, Filter/Schläuche, Kanülensitz, Absauggerät, Akkus, Sauerstoffvorrat. Ergebnisse kurz dokumentieren. Auffälligkeiten sofort klären.
Wer zahlt bauliche Anpassungen zu Hause?
Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen können über § 40 SGB XI bezuschusst werden. Zusätzlich kommen Hilfsmittel nach § 33 SGB V in Betracht. Ein Kostenvoranschlag und eine Begründung sind nötig.
Wie sichern wir die Nacht ab?
Mit festem Dienstplan, Einarbeitung der Nachtkräfte, leisem aber verlässlichem Monitoring, klaren Alarmwegen und einem ruhigen Schlafumfeld. Eltern sollten echte Schlafphasen erhalten.
Darf mein Kind Sport treiben?
Je nach Grunderkrankung oft ja, angepasst. Planen Sie Ausdauer in kurzen Intervallen, achten Sie auf Kabel/Schläuche, sichern Sie Akkus, und holen Sie eine ärztliche Freigabe ein.
Wie dokumentieren wir sinnvoll?
Kurz, strukturiert, relevant: Vitalzeichenbesonderheiten, Ereignisse, Interventionen, Medikamentengaben, Gerätechecks. Nutzen Sie Vorlagen und führen Sie Änderungen am Plan mit Datum.
Wer hilft bei Konflikten mit der Kasse?
Sozialdienste, Pflegedienstleitungen, Ärzt*innen und unabhängige Beratungsstellen unterstützen. Widersprüche sollten medizinisch begründet, fristgerecht und sachlich eingereicht werden.
Was tun bei Alarm-Flut?
Ursachenanalyse: falsche Grenzwerte, Leckagen, ungeeignete Sensorposition, Kind in Bewegung. Alarme gemeinsam mit dem ärztlichen Team neu justieren und Schulungen auffrischen.
Kann AKI in einer betreuten Wohnform stattfinden?
Ja, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind und das Kindeswohl gesichert ist. Die Verordnung und die Strukturmerkmale müssen zur Wohnform passen, inklusive Schul-/Teilhabeplanung.
Welche Qualifikation braucht der Pflegedienst?
Nachweis pädiatrischer Intensivpflege-Kompetenz, regelmäßige Fortbildungen, strukturierte Einarbeitung, Notfalltrainings, Supervision und eine 24/7-Erreichbarkeit.
Wie gehen wir mit Infekten um?
Früh erkennen, ärztlich abklären, Hygiene anpassen, ggf. Beatmungsparameter vorübergehend justieren. Ausreichend Flüssigkeit, Ruhezeiten und klare Eskalationskriterien festlegen.
Dürfen Eltern medizinische Aufgaben übernehmen?
Ja, nach Schulung, Delegation und unter klaren Sicherheitsvorgaben. Es bleibt das Recht, Unterstützung einzufordern, wenn die Belastung zu hoch ist.
Was ist bei Ernährung über Sonde wichtig?
Richtige Lage, Spülregime, Applikationsgeschwindigkeit, Medikamentenkompatibilität, Gewichtsentwicklung. Bei Problemen (Reflux, Krämpfe, Verstopfung) frühzeitig fachlich nachsteuern.
Wie bleiben wir als Eltern arbeitsfähig?
Mit planbaren Entlastungszeiten, verlässlichen Diensten, Homeoffice-Optionen und einer klaren Rollenverteilung. Beratungen zu Sozialleistungen unterstützen die Vereinbarkeit.
Wer organisiert den Rettungsdienst-Kontakt?
Pflegedienst und Eltern halten Eckdaten bereit, informieren die Leitstelle über Besonderheiten (Tracheostoma, Beatmungsmodus) und führen eine kurze Patienteninformation für den Einsatzfall mit.
Wie oft sollen Schulungen aufgefrischt werden?
Mindestens jährlich, bei Gerätewechsel, Planänderung oder nach kritischen Ereignissen früher. Notfall-Skill-Drills alle drei bis sechs Monate sind sinnvoll.
Können wir Hilfsmittel testen?
Ja. Bei Kindern ist die erprobende Versorgung wichtig, um Passform, Komfort und Alltagstauglichkeit zu prüfen. Vereinbaren Sie Testzeiträume und dokumentieren Sie Erfahrungen.
Was passiert, wenn der Pflegedienst Personalengpässe hat?
Frühzeitige Kommunikation, Priorisierung der Risikophasen (Nacht, Infekt), Zwischenlösungen (Kurzzeitpflege), Unterstützung durch andere Dienste. Die Kasse sollte einbezogen werden.
Wer entscheidet über Dekanülierung?
Das interdisziplinäre Team mit Eltern und – altersentsprechend – dem Kind. Es gibt klar definierte Kriterien, Testphasen und einen abgesicherten Notfallplan.
Wie sichern wir Datenschutz und Würde?
Diskrete Versorgung, klare Einwilligungen, sensible Dokumentation, Schulung aller Beteiligten zu Schweigepflicht und Mediennutzung. Das Kind wird in Entscheidungen einbezogen.
Fazit
Kinderintensivpflege gelingt, wenn Sicherheit, Entwicklung und Teilhabe zusammen gedacht werden. Dafür braucht es ein stabiles Netzwerk: Ärztinnen, Pflegedienst, SPZ, Therapeutinnen, Kita/Schule und Familie arbeiten auf Augenhöhe zusammen, mit klaren Zielen und regelmäßiger Reevaluation. Die rechtlichen und finanziellen Grundlagen – AKI nach § 37c SGB V, Hilfsmittel nach § 33 SGB V, Zuzahlungsbefreiung für Minderjährige (§ 61 SGB V) und ergänzende Leistungen der Pflegeversicherung (§ 36, § 37, § 40 SGB XI) – geben Sicherheit, wenn sie frühzeitig beantragt und klug kombiniert werden. Entlastung ist kein Extra, sondern Bedingung: Pflegekurse, psychosoziale Angebote, Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie verlässliche Schul-/Integrationshilfen halten den Alltag tragfähig. Gleichzeitig bleibt jedes Kind einzigartig. Entwicklungsziele, Weaning-Chancen und palliative Perspektiven werden individuell geplant, dokumentiert und immer wieder überprüft. Wer seine Rechte kennt, Strukturen vernetzt und auf sich selbst achtet, schafft die Grundlage, damit Kinder intensivmedizinisch sicher versorgt sind – und trotzdem Kind sein dürfen.


